Berühmte Detektive – gescheiterte Existenzen?

Ist Ihnen das auch schon aufgefallen? Fast alle berühmten Kommissare, Detektive oder Inspektoren in Romanen oder Filmen sind alleinstehend, geschieden oder kinderlos:

Sherlock Holmes hat einen Bruder und lebt mir Dr. Watson zusammen.
Hercules Poirot hat lediglich einen Bruder.
Miss Marple hat eine Schwester und einen leicht vertrottelten Freund Mr. Jim Stringer
Jules Maigret ist immerhin verheiratet, keine Kinder.
Martin Beck lebt getrennt, hat zwei Kinder.
Kurt Wallander ist geschieden, eine Tochter.
Jean-Baptiste Adamsberg hat eine Geliebte und einen unehelichen Sohn
Charles Resnick ist geschieden, keine Kinder.

Was können wir daraus schließen? Der im Leben gescheiterte und sozial inkompetente Detektiv als Vermittler metaphysischer Leere?

Die Kriminalliteratur ist noch keine 200 Jahre alt. Als „Vater“ der Detektivgeschichte gilt das amerikanische Genie Edgar Allan Poe (1809-1849). Seine gruselige Geschichte „The Murders in the Rue Morgue“ („Die Morde in der Rue Morgue“) wurde 1841 veröffentlicht. Dieser Roman zeigt C. Auguste Dupin, einen Kommissar, der mit Hilfe seines Verstandes, seinen genialen Schlussfolgerungen und seiner analytischen Begabung scheinbar mühelos alle seine Fälle lösen kann.

Schon bald entwickelt sich die Detektivliteratur zur Domäne der Briten. Eine der bekanntesten Figuren ist Sir Conan Doyle’s exzentrischer Sherlock Holmes, der zusammen mit seinem Assistenten Dr. Watson eine Menge kniffliger Fälle löst.

Nach dem Ersten Weltkrieg löst der Detektivroman die Kurzgeschichte als Standardform der Kriminalliteratur ab. Die Zeit von 1920 bis 1939 gilt als das goldene Zeitalter des Krimis. Die führende Autorin dieser Zeit ist Agathe Christie. In ihrem ersten Roman „The Mysterious Affair at Styles“ („Das fehlende Glied in der Kette“, 1920) erschafft sie den belgischen „Meisterdetektiv“ Hercule Poriot. Seine Fähigkeiten sind eine messerscharfe Logik und eine besondere Kombinationsgabe.

Anfang der 30er Jahre erschafft der Belgier George Simenon seinen Kommissar Maigret. Maigret ist kein überlegener Amateurdetektiv, sondern ein Polizist, dabei ein Durchschnittsmensch, der es mit ganz unspektakulären Verbrechen und manchmal durchaus banalen Tatmotiven zu tun bekommt. Eine besondere Stärke Maigrets ist sein außergewöhnliches Einfühlungsvermögen. Er versucht sich in das Milieu, in dem die Tat geschah, hineinzuversetzen, tritt an die Stelle des Ermordeten oder des Mörders, um so gefühlsmäßig die Fälle nachvollziehen zu können.

In Amerika setzt sich in den 30er Jahren „harte“ Krimi durch. Einer der Pioniere dieser neuen Stilrichtung ist Dashiell Hammett mit seinem berühmten Roman „The Maltese Falcon“ („Der Malteser Falke“). Ein weiterer Vertreter ist Raymond Chandler mit seinem berühmten Privatdetektiv Philip Marlowe.

In den 50er und 60er Jahren geht es in den Kriminalromanen immer weniger um die Aufklärung des Verbrechens, sondern um das Verbrechen und seine Hintergründe. Was sind die Ursachen, dass ein Mensch zum Mörder wird? Diese Frage versucht man aus der psychologischen Sicht zu durchleuchten. Es basiert auf der Annahme, dass kein Mensch von Grund aus schlecht ist, sondern meist nur ein Opfer seiner Verhältnisse. Einer der berühmtesten Romane ist „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt.

Umberto Eco weckt mit seinem Roman „Il nome della rosa“ („Der Name der Rose“) 1980 auch das Interesse an historischen Krimis.

Im deutschsprachigen Raum entwickelt sich eine eigenständige Form des Kriminalromans mit Autoren wie Hansjörg Martin ab dem Ende der 1960er Jahre.

Seit den 90er Jahren erlebt der Kriminalroman einen enormen Aufschwung, und Werke dieser Gattung führen nahezu ununterbrochen die Bestsellerlisten an. Maßgeblich beteiligt daran sind skandinavische Autoren wie Sjöwall/Wahlöö, Henning Mankell und deren Nachahmer.

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Eine Antwort zu Berühmte Detektive – gescheiterte Existenzen?

  1. Claudia Oedekoven sagt:

    „Der Besuch der alten Dame“ ist kein Roman, sondern ein Drama – ein Theaterstück. Es ist eigentlich auch kein Krimi und schon gar kein Detektivroman. Wenn überhaupt, könnte man es am ehesten als „Thriller“ bezeichnen, denn es geht darum, dass die besagte alte Dame ein Kopfgeld von einer Milliarde Franken auf den Tod ihres ehemaligen Liebhabenrs aussetzt. Dieser enorme Preis bringt alles im kleinen Ort Güllen durcheinander…
    Es geht um Moral, Käuflichkeit und die Kraft des Geldes. Auch um Rache und Gerechtigkeit, Heuchelei und die Rolle der Medien. Immer noch ein großartiges Stück, von der jüngst erfolgten Verfilmung muss allerdings nachdrücklich abgeraten werden!

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