Das Ensemble von „Shakespeare und Partner“ geht seit etwa zehn Jahren getrennte Wege von der Keimzelle der „Shakespeare Company“ in Bremen. Unter der Leitung von Norman Kentrup und Dagmar Papula sind seitdem viele preisgekrönte Inszenierungen entstanden.
Am vergangenen Samstag führte ganz elisabethanisch ein Männerensemble von fünf Schauspielern (Sebastian Bischoff, Andreas Erfurth, Jan Maak, Urs Stämpfle, Markus Weckeser – der als Regisseur den erkrankten Norman Kentrup ersetzte), die alle im raschen Wechsel und minimalen Kostümtausch gut in ein Dutzend Rollen schlüpften, in der KGS Leeste das Stück „Alles wahr – König Heinrich VIII.“ auf.
Dass ein Theaterstück trotz eines minimalistischen Bühnenbilds hervorragend und spannend gelingen kann, wurde hier einmal mehr bewiesen: Ein Proszenium-Podest (im griechischen Theater war das „proskenion“ ein fassadenartige Vorbau vor der „skene“, wo auch die Schauspieler auftraten) ohne Kulissen, ein schwerer Holzstuhl im Bühnenzentrum, ein Tablett mit Speisen, das war’s.
Staunens- und bewunderungswürdig war nicht nur die Kunst der optischen Verwandlung jedes einzelnen Schauspielers, sondern vor allem deren Übernahme noch gegenteiligsten Rollen wie auch Frauenrollen in einem quicklebendigen Theaterstück.
Im Mittelpunkt des Dramas steht die Titelfigur Heinrich VIII., den man als Schüler ggf. aus dem Geschichtsunterricht wegen seiner insgesamt sechs Eheschließungen, von denen zwei mit Scheidung und zwei mit der Hinrichtung der Ehefrau endeten, kennt.
Doch bei dieser Geschichte geht es nicht darum. Es geht vielmehr um Einfluss, Geld und Macht. In diesem letzten Stück Shakespeares, das 1613 im Globe Theatre uraufgeführt wurde, dreht sich Machtspirale ständig. Im ersten Akt scheitert der Lord Buckingham mit seinen Plänen und wird geköpft. Der engste Vertraute des Königs, Kardinal Wolsey, zunächst berauscht von der eigenen Machtfülle, stolpert über seine Gier und Hybris und stirbt verstoßen und verarmt.
Doch nach dem Tod dieses bösartigen Intriganten kehren nicht etwa Frieden, Gerechtigkeit und Ruhe am Hofe ein. Im Gegenteil, das Intrigenspiel wird fortgesetzt, nur die Protagonisten sind jetzt andere. Der Zuschauer erlebt Konflikte, Ränkeschmiede, Konkurrenz und Eitelkeiten der politische Kaste und Hofschranzen im Buhlen um die Gunst des Königs.
Der Zuschauer erkennt an diesem Abend erschüttert die Parallelen zur aktuellen Zeitgeschichte: Der Mechanismus von Macht und Gier läuft noch heute wie geschmiert. Kaum etwas hat sich geändert, nur dass damals niemandem eine Justiz beisprang und heute den Protagonisten der Tower und Schlimmeres erspart bleibt – Wulff, Schröder, Hartz, Rürup und Konsorten lassen grüßen.
Trotz noch bestehender Ehe mit Katharina von Aragón und ohne päpstliche Erlaubnis heiratete Heinrich die junge Anne Boleyn, von der er sich einen männlichen Thronfolger erhofft. Lordkanzler Thomas Morus, der gegen die zweite Eheschließung ist, hat bereits zuvor sein Amt niedergelegt.
Dies stärkt die Position Annes derart, dass nach dem Tod des bisherigen Erzbischofs von Canterbury, William Warham, als eines der ersten Resultate der Hauskaplan der Boleyns, Thomas Cranmer, als neuer Erzbischof von Canterbury eingesetzt wurde. Dieser erklärt denn auch die Eheschließung umgehend für gültig, was zu einer Bannandrohung des Papstes führt und die Trennung von Rom manifestiert.
Erst nachträglich verfügte ein Scheidungsgericht der englischen Kirche die vom Papst nicht anerkannte Annullierung der Ehe Heinrichs mit Katharina von Aragón. Auch sie stirbt einsam und verstoßen.
Doch gebiert Anne Heinrich VIII. statt eines Sohnes eine Tochter: Elisabeth I. Das Stück endet trotz dieser Enttäuschung mit einer Jubelrede auf die neugeborene Elisabeth I. und einer Prophezeiung ihrer späteren Taten durch die höfischen Sykophanten.
„Alles ist wahr“ ist der Originaltitel – und Geschichte scheint ein ewiger Kreislauf.