Schule damals

In diesem Jahr (2011) gibt es eine Feier zum 70-jährigen Bestehen der Leester Grundschule (damals Volksschule) und eine Feier zur Erinnerung an der Schulentlassung vor 50 Jahren.

Ein Grund, mal mit der einen – oder dem anderen „Ehemaligen“ über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen. Dabei kam auch die Sprache auf eine Mitschülerin. Ein anfänglich aufgeschlossenes lustiges Ding, die aber mit dem Wechsel in den höheren Schulklassen immer stiller und bedrückter wurde. Dass der Grund dafür das Schulfach Religion war, hatte sie erst im hohen Alter verraten.

Fast alle der nahezu 38 Mitschüler waren evangelisch, außer zwei Mädchen, die dem katholischen Glauben angehörten. Diese mussten, wenn die Mehrheit Religionsunterricht hatte, die Klasse verlassen und erhielten einen gesonderten Unterricht von einem katholischen Lehrer. Kamen die beiden wieder in die Klasse wurden sie wie zwei Fremdkörper angegafft, was sicherlich nicht angenehm für beide war und sie von den übrigen Schülern entfremdete.

Keine Bedeutung wurde damals während des Deutschunterrichtes den Fragen des Lehrers, der sonst den evangelischen Unterricht leitete, beigemessen, als er sich nach dem Elternhaus und Familienstand der Schüler erkundigte. Verwundert waren die Schüler jedoch, als der Lehrer lang und breit darauf einging, dass eines der „beiden Mädchen“ ein „uneheliches Kind“ sei. Mit dem Begriff unehelich konnten derzeit keiner etwas anfangen. Es musste der Erzählung nach aber etwas Schlimmes sein.

In der Pause stand das „uneheliche Mädchen“ mit Tränen in den Augen in einer Ecke. Wie mir später von dieser Klassenkameradin zugetragen wurde, ging die „Fürsorge“ des Lehrers sogar soweit, dass er die Mutter mehrmals besuchte, und ihr wegen „ihrer Verfehlung“ Moralpredigten hielt.

Doch auch wir, die evangelischen Schüler bekamen unser Fett weg. Der katholische Religionslehrer unterrichtete in der Klasse das Fach Mathematik und nutzte die Stunde, uns mal so richtig den Kopf zu waschen. „Ketzer, Gotteslästerer, die noch nicht mal an den Papst glauben“, ist mir davon in Erinnerung geblieben.

Im Konfirmandenunterricht, den ein junger Pastor leitete, der es verstand auf Jugendliche einzugehen, wurde das Glaubensweltbild wieder ein wenig gerade gerückt.

Auch die gedemütigte Mitschülerin hatte inzwischen gelernt, über diese alte Sachen keine Tränen mehr zu vergießen, denn Ihre Familie, Mann und Kinder haben ihr geholfen, einen Teil dieser alten Geschichte zu verschmerzen. Was uns im Gespräch erfreute, war, dass solche Vorkommnisse, wie der alte abschreckende Religionsunterricht in dieser Form eine Sache von gestern war und auch hoffentlich bleiben wird.

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2 Antworten zu Schule damals

  1. Hans-Werner Kleindiek sagt:

    Moin, moin sehr geehrter Herr Merkle,

    nun, ich habe den Text gelesen – ihn verarbeitet – und möchte gerne ein paar Zeilen dazu anmerken – Sie sind sicher ein paar Tage älter als ich; dennoch kann ich jeden Ihrer Sätze nachvollziehen – auch zu meiner Kindheit hatten die Lehrer/innen Narrenfreiheit und es setzte Schläge und was weiß ich alles – das gehörte für uns dazu (die Lehrerinnen waren nicht unbedingt bescheidener, was das Thema anging) – da hatte auch jede/r so seine/ihre eigene Technik – ganz mies war unser Sport- und Zeichenlehrer (auf der Realschule) – der haute einem immer mit dem Stock auf die Finger – können Sie sich wohl gut vorstellen – vorm Zeichenunterricht … da war nichts mehr mit ordentlichem Zeichnen – also gab es zusätzlich eine schlechte Note –
    zu Hause durfte man auch nichts erzählen; denn ein Lehrer hatte natürlich Recht – und es setzte noch einmal Schläge – und dann noch die schlechte Note.

    Nun ja, und die Behandlung von einigen … Sie haben es ja beschrieben – wobei, um mal auf das Thema Religion zurückzukommen: ich wusste gar nicht, dass es etwas Anderes außer evangelisch gab – ich erinnere mich überhaupt nicht an katholische Kinder (ich bin ein norddeutsches Urgestein – also noch viel nördlicher als Ihrem heutigem Wohnort (nehme ich mal an) – unser Pastor konnte es aber auch gut (mit der Hand – wenn wir nicht so wollten …) – hatte selber sieben Kinder – Prüfung vor der Konfirmation vor der versammelten Kirchengemeinde – und wehe man konnte seine Texte nicht … ich habe noch heute meinen Katechismus (und bei Luther gab es ja immer noch die Erklärungen zu allem) – das war schon heftig – ich erinnere allerdings auch an unsere Religionslehrerin sehr gut (weiß leider den Namen nicht mehr) – eine herzensgute Frau – bei der Ostergeschichte und Leidensgeschichte Jesu hat sie immer geweint – das ging uns allen schon sehr nahe – ansonsten waren „Ihre Geschichten“ an der Tagesordnung – und man wurde oft vor der Klasse bloßgestellt.

    In vielen Dingen hatten wir gegenüber heute allerdings einen entscheidenden Vorteil: Wir hatten alle nichts – da konnten keine Kinder angeben mit drei Streifen auf den Sportschuhen (wir hatten gar keine) – und die teuren Schulranzen von heute – meiner war noch vom Großvater – und wenn die Nähte brüchig wurden, dann wurde neu genäht – es gab kaum Kinder aus besseren Verhältnissen (eher noch ärmlicher) – da gab es auch Flüchtlingskinder (wir nannten die Behausungen „Klein-Moskau“ – halbrunde Welchblechhütten) –
    dennoch behaupte ich, es ging uns in mancher Beziehung besser als vielen Kindern – von heute -sicher könnte ich noch so weiter schreiben… Nur eines noch: Sie erwähnen zum Schluss, dass es eher eine Sache von gestern war … gerade auf den Hinblick Oekumene – wir haben ja kürzlich erlebt, wie der Papst sich gibt – es ist nur wenige Tage her, da war ich für ein verlängertes Wochenende im Schwarzwald – ich las in einem Tagesblatt einige Kommentare zum Papstbesuch und den allgemeinen Themen – ich war zutiefst entsetzt und dachte, ich wäre im Mittelalter: Wir Evangelischen könnten doch am Abendmahl ohne Problem teilnehmen – wir sollten doch endlich vernünftig werden, uns zurückreformieren und wieder katholisch werden, dann gäbe es keine Probleme – usw. nicht nur eine Meinung. Von oben kann man nichts erwarten, es ist lediglich eine Frage, wie die Basis damit umgeht und zusammen arbeitet – und das klappt zum Glück oft besser – und so gebe ich die Hoffnung auch nicht auf und habe mich über den versöhnlichen Abschluss in Ihrem Bericht dann gefreut.

    Ihnen alles erdenklich Gute
    mit freundlichen Grüßen

    Hans-Werner Kleindiek

  2. Klaus Merkle sagt:

    Sehr geehrter Herr Kleindiek

    Nach einigen Tagen Auszeit, die ich mit Enkelkindern verbrachte, komme ich dazu, die E-Mails durchzuschauen.
    Herzlichen Dank für Ihr Schreiben zum Bericht „Schule damals“.
    Kirche und Glauben, christliche Kindererziehung, Arbeiten für die Kirche, die Kirche als Unternehmer füllt schon Bücher und könnte noch kilometerlange Bücherregale füllen.
    Hat die Kirche seit dem Mittelalter und der Hexenverfolgung etwas gelernt?
    Etwas Positives ja!
    Auf der anderen Seite aber auch feinere Methoden, um genauso wie im Mittelalter verfahren zu können.
    Scheiterhaufen werden nicht mehr aus Holz errichtet.

    Zum Christlichen.
    Die Kirche als Arbeitgeber! Ich habe Arbeitsverträge gesehen und war erschüttert.
    Ich habe den Druck gesehen, der besonders auf Mitarbeiterinnen von christlichen Sozialdiensten lastet. Ich habe Mitarbeiterinnen, die nach Dienstbesprechungen aus dem Büro mit Tränen in den Augen kamen. Jeden Tag auch Sonnabend und Sonntag- 24 Stunden lang – auch im Urlaub, telefonisch erreichbar sein….(Ohne Bereitschaftsdienstausgleich) sich mehrmals täglich außerhalb der Dienstzeit mit Kolleginnen telefonisch über Patientenpflege oder Änderungen austauschen.
    Ich habe mitbekommen, unter welchen (auch menschlich erniedrigenden) Arbeitsbedingungen diese christlichen Dienste geleistet werden …….. usw. …..

    Ich hatte gestern über Hauptreligionen ein langes, angenehmes Gespräch mit einer Theologiestudentin. Talmud, Bibel und Koran.
    Wer einmal darin stöberte, kommt zum Vergleich mit einem knorrigen alten Baum.
    Als Wurzel und Stamm haben diese Religionen alle Abraham.
    Als drei dick Äste verzweigen sich dann die Glaubensrichtungen der Juden, der Christen mit Isaak, mit Ismail die Araber und als Drittes der jüdische Glauben.
    Diese dicken Äste haben Zweige getrieben.
    Bei den Christen Katholiken, Protestanten, Orthodoxe, Anglikaner, Nestorianer, Miaphysiten und sonstige christliche Freikirchen und Freidenker.
    Die arabischen Zweige sind die Sunniten, Schiiten, die sich regional weiter verzeigten.
    Genauso verzweigt hat sich der jüdische Glauben.

    Und jedes Zweiglein an diesem Baum schlägt wild um sich und ruft „Nur ich alleine habe den richtigen Glauben“
    Das ist die derzeitige Situation dieser Glaubensrichtungen aus meiner Sicht.

    … Es gibt trotz aller Kritiken, Personen, denen die Kirche gut tut, wo sie Ruhe und Kraft finden.

    Meine Antwort sollte nicht so lang sein da mir die Zeit für die Dezemberausgabe des Lintler Boten davonläuft.

    Mit freundlichen Grüßen

    Klaus Merkle
    Redaktion Lintler Bote
    Kirchlintler Verlag e.V.

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