Papa ante portas

Bei Lichte betrachtet kommt heute nicht nur das Oberhaupt der katholischen Kirche zu Besuch, sondern auch das Oberhaupt des Vatikans, einem seit 1929 unabhängigem Staat.

In beiden Funktionen erleben wir den Repräsentanten eines zutiefst undemokratischen Systems.

Ursprünglich aus dem Amt des „Bischofs von Rom“ hervorgegangen, das seine Rückführung auf Petrus legitimiert, ist der Papst auch „Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche hier auf Erden“. Zugleich lautet seine Bezeichnung auch „Patriarch des Abendlandes“ (denn es gibt zu seinem Leidwesen neben ihm noch den Patriarchen von Moskau und den von Konstantinopel) und allererster „Diener der Diener Gottes“.

Dies alles geschieht in dem Glauben seine „göttlicher Einsetzung“. Natürlich ist er deshalb „unfehlbar“. Und wohl deshalb hat der Papst auch so viel Macht und ist von keinem kirchlichen und weltlichen Gericht zu belangen – da hat er dem italienischen Staatschef immer noch etwas voraus.

Entscheidungen des Papstes bedürfen keiner Begründung. Er ist Judikative, Legislative und Exekutive in einer Person – weltlich würde der Begriff „totalitär“ für diesen Alleinherrscher hier naheliegen, denn eine Gewaltenteilung kennt die katholische Kirche nicht. Dies gilt auch für den Staat Vatikan. So gesehen könnte man auch jeden Ajatollah, den Chef der Mormonen oder den Dalai Lama in den Bundestag einladen.

Übrigens hat der Vatikan als einziger Staat neben Weißrussland die „Europäische Menschenrechtskonvention“ nicht unterschrieben. Das ist konsequent, denn im Gottesstaat Vatikan spielt das Individuum keine Rolle. Dass der Papst sich gleichwohl vielerorts für die Einhaltung der Menschenrecht ausspricht, scheint dem nicht zuwiderzulaufen – schließlich ist er ja Repräsentant der „Weltkirche“.

Der Papst ist in seinen diversen Funktionen sowohl kirchliche als auch weltliche Macht. Dies ist besonders pikant, weil just dem Islam vorgeworfen wird, nicht zwischen Religiösem und Politischem unterscheiden zu wollen.

Es ist schon mehr als bedenklich, dass unter diesen Gesichtspunkten auch heute noch ca. zwei Milliarden Menschen einem Personenkult frönen, der so gar nicht in die Zeit passen will. Doch Vorsicht, die christliche Kirche ist die erfolgreichste Organisation, die es je gab: Seit über 2000 Jahre lenkt sie die Geschicke von Milliarden Menschen – vielleicht darf der Papst gerade deshalb im Bundestag sprechen?

Doch jene als schlechte Demokraten zu bezeichnen, die seinem Besuch fernbleiben, trifft als Argument die völlig falschen. Ein typischer Fall von Opfer-Täter-Umkehr.

Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel „Eine kleine Papstkunde“ von Friedrich Wilhelm Graf in der SZ vom 21. September 2011
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Eine Antwort zu Papa ante portas

  1. Hans-Werner Kleindiek sagt:

    moin, moin Herr Heidtmann,

    interessanter Beitrag 🙂 – dem ist im Prinzip nichts hinzuzufügen; denn er zählt die Fakten auf. Warum und wieso es zu dieser (in der Form) Art von Staat gekommen ist mögen sicher einige Menschen herausgefunden haben. Ein besserer Staat ist es natürlich auch nicht; denn wer so autoritär sein Volk zusammenhält findet allemal nicht meinen Beifall.
    Dennoch bin ich nicht davon überzeugt, dass 2 Milliarden Menschen einen Personenkult frönen. Sehr viele Christen sehen diese Person und dieses Amt sehr kritisch und sagen und diskutieren so. Selbst Christen, die aufgrund der vielen aufgedeckten Missbräuche aus der Kirche ausgetreten sind, wenden sich damit nicht unbedingt von ihrem Glauben ab. Das sind zwei Paar Schuhe und muss man getrennt beachten.

    Nun ja, und der kleine Satz zum Schluss (bezgl. der Demokraten und ihrem Verhalten) ist dann wohl offensichtlich immer noch nicht verstanden :-)…. An Stelle von PAPST könnte auch Meier, Müller, Schulze stehen – wenn ich mit Zustimmung jemanden einlade, dann stimme ich nicht zu mit dem Wissen: denen zeige ich es aber jetzt und bleibe dann doch fern. Auch dazu gibt es in der Bibel ein sehr schönes Gleichnis. Das Buch der Bücher wird eben nie unmodern, und ihren Glauben können echte Christen auch ohne ein weltliches Oberhaupt leben. Wenn ein Theologe (bei uns eben auch Theologin) nichts taugt, dann lässt ihn das die Gemeinde heute wohl deutlich spüren.
    So gesehen enthält der Beitrag natürlich nachvollziehbare Fakten, die auch nicht zur Diskussion stehen.
    Alles Gute und herzliche Grüße
    Hans-Werner Kleindiek

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