Wenn einer eine Reise tut …

… so kann er was erzählen. Wer kennt ihn nicht, diesen Satz von Matthias Claudius?

In der Tat ist das so, und jede/r hat das sicher schon mehrmals erlebt. Manchmal meint man ja, dass die Zeiten sich ändern, und Erfahrungen, die man vor Jahren gemacht hat, dann doch irgendwann eine Wendung erleben. Genau das scheint allerdings nicht der Fall zu sein. Bestimmte Gewohnheiten sind dem Menschen offenbar so eigen, dass sie fortleben und eher noch ausgeweitet werden.

So sind wir dieser Tage von einer wunderbaren Seereise zurückgekommen mit wunderschönen Eindrücken einer berauschenden und fantastischen Natur des Nordens. Ebenso ernüchternd jedoch waren die Erkenntnisse einer gierigen und nimmersatten Menschheit in Zeiten des Überflusses. Wie sehr muss man sich dann der übrigen Menschheit gegenüber schämen, die in Not, Hunger oder Elend leben muss.

Das fängt an bei der Einnahme von Sitzplätzen im Flieger oder Bus (obschon für alle ein Platz da ist oder die Plätze sogar nummeriert sind): Da wird gedrängelt und geschoben – die Ellenbogen werden ausgefahren und es wird geschimpft, dass es einem gruselt. Vor allem fragt man sich: Warum ist das so?

Dann der Gang zu den Mahlzeiten. Da gibt es feste Zeiten und trotzdem kommen die ganz Schlauen und drängeln sich schon mal vor durch die Tür zum Speiseraum (obschon er oder sie wissen, dass bis zum Beginn noch 5 Minuten zu warten ist). Grummelnd und schmollend kommen sie wieder raus, um dann beim offiziellen Beginn die Bedienungen mit verächtlichen Blicken zu strafen. Welch ein Unverstand und eine Arroganz!

Danach geht sie los, die Schlacht am Bufett (ob jetzt kalt oder warm), wenn es kein fest eingeplantes Menu gibt. Man kann nur kopfschüttelnd versuchen, etwas Abstand zu gewinnen und den Mob sich austoben lassen – wir werden ganz sicher nicht verhungern, und es wird auch für den/die Letzten noch genug Auswahl da sein. Nur, warum ist das so?

Früher hat man immer geglaubt, das läge an den Erfahrungen in der Kriegs- und Nachkriegszeit (Hunger, Armut, Not und Elend). Dieses Leben ist Jahrzehnte her. Dennoch bleibt offensichtlich das Gefühl bestehen „zu kurz zu kommen“ oder wie immer man es nennen will. Selbst bei einem bekannten festgelegten Essen scharren schon
einige nervös mit den Hufen, wenn andere schon versorgt sind und sie noch warten müssen (weil nun mal bei einer größeren Gesellschaft nicht alle zur gleichen Zeit etwas bekommen können).

Dann kommt der nächste Aufreger:Die total überladenen Teller, als wenn andere einem etwas wegnehmen könnten. Es wird reingeschaufelt, was das Zeug hält. Letztlich bleiben dann aber mehr oder weniger große Reste, die in den Müll wandern. Das nächste Ärgernis ist, diese Personen stürmen erneut los, um den nächsten Berg aufzuladen, von dem dann auch wieder mehr oder weniger viel vernichtet werden muss. Mir stehen die Haare zu Berge (im wahrsten Sinne des Wortes) über so einen unverzeihlichen Umgang mit Nahrungsmitteln (bei dem täglichen Hunger in der Welt).

Und dann kommt noch der Nachtisch,da muss doch irgendwo noch eine Lücke im Magen frei sein (Nachtisch geht immer)! Da gibt es natürlich die üblichen kleinen Dessertschälchen für die angemessene Portion Naschwerk. Aber nein, was soll denn das mit dem Schälchen, da nehmen wir uns doch einen Essteller und laden mal wieder so richtig auf! Es kann einem nur noch übel werden über so viel Fressgier oder Fresssucht. Wieder zu viel genommen? Es verschwindet obligatorisch im Müll und man nehme den nächsten Teller – Sie kennen das ja inzwischen. Warum ist das so? Was treibt den Menschen zu so einem Handeln?

Dann der Kommentar: „Ist doch alles bezahlt, dann wollen wir mal so richtig zulangen!“ Und wieder weg damit – ich kann mir ja was Neues holen – und weg damit – ist doch alles bezahlt!

Schließlich dann die Drängelei um einen Sitzplatz im Bus und das Theater im Flughafen – das hört wohl nie auf, und vermutlich werden die nachfolgenden Generationen immer noch diese Erfahrungen machen. Manche Dinge lernt man offensichtlich nicht.

Ach so, da waren dann noch die Liegestühle an Bord: Da reserviert man sich doch gleich seinen Stuhl (eigentlich für alle da) und legt einige Utensilien darauf, damit ja niemand auf die Idee kommt, diesen Stuhl zu benutzen – selbst wenn man mal zwei Stunden nicht da ist.

Ja, ja, wenn einer eine Reise tut …

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