Das Geheimnis des Erfolgs

Der Mann ist mit seinem Großspitz im Walde unterwegs. Wir schauen uns aus der Ferne an und prüfen, ob wir unsere Hunde besser anleinen sollten. Wir tun es und heben winkend die Hand zum jeweils anderen als Zeichen des Danks für die Rücksichtnahme.

Als unser Terrier und ich unsere Runde in diesem uns bisher unbekannten Waldabschnitt beendet haben, sehen wir ihn und seinen Großspitz am Auto wartend. Der Hund wird schon einmal ins Auto verfrachtet, sicher ist sicher. Spitze waren zumindest früher falsch, heute soll das wohl „rausgezüchtet“ worden sein.

Wir grüßen einander. Er bietet unserem Hund ein grünes Leckerlie an, der verschmäht es. Gut so, man soll ja keine Bonschen von fremden Onkels annehmen. Wir kommen ins Gespräch, bei dem sich alsbald herausstellt, dass der Mann in seinem Berufsleben überwiegend als Verkäufer tätig war – zunächst für Büromaschinen („Olympus“ und „Präzisa“ – letztere besser, weil verkürzter Rechenweg, ja die Schweizer können das). Einfach mal bei beiden Maschinen 19 hoch vier eingeben und sehen, welche schneller damit fertig ist. Danach war die Präzisa verkauft. Die Rechenoperation wird im praktischen Geschäftsleben zwar nie gebraucht, die Demonstration ist aber trotzdem überzeugend.

Seinem Werkstattmann hatte er jede Woche einhundert Mark versprochen, wenn er dem Kunden sagte, eine Reparatur lohne sich nicht mehr. Ganz zufällig ist er dann kurze Zeit später in das betreffende Unternehmen gegangen und hat eine neue Rechenmaschine angeboten. Immerhin kostete ein solches mechanisches Rechenwunder in den 6oer Jahren noch 1600 D-Mark. Heute kann das jeder Taschenrechner für einen Euro.

Innerhalb einer knappen halben Stunde kenne ich seinen ganzen Lebensweg. Leider keine Kinder, ging damals nicht, heute schon. Erstes Haus nach nur fünf Berufsjahren! Das zweite hat er aber dann selber gebaut. Handwerkliches Geschick hat er bei seinem Vater erlernt. Den hat er aber verlassen, als der ihm sagte, sein Unternehmen sei keine Kinderverwahranstalt. Das hat er ihm übel genommen.

Dann war er in der Regalsystembranche tätig. Hat immer glänzend von der Provision gelebt. Räumlich zeichnen kann er auch, das hat ihm immer sehr geholfen: Einfach die Schrankwand an die nackte Wand gemalt! Das hat überzeugt. Oft hat er sich auch sonntags mit Interessenten getroffen – „Dann haben wir doch beide Zeit!“ Montags hatte der Wettbewerb dann das Nachsehen, und er ein dicken Auftrag.

Er hat immer vom Empfehlungsgeschäft gelebt. Neukundenakquise? Nicht nötig! Gute Arbeit machen, dann wird man weitergereicht. Warum schreibt dieser Mann kein Buch? Weniger verkaufserfahrene Autoren sind damit überaus erfolgreich. Vielleicht fehlen ihm einfach nur die englischen Fachbegriffe oder der MBA-Abschluss? Das Wissen um den Erfolg hat er jedenfalls.

Noch jetzt bessert er seine Rente ein wenig auf, indem er ab und an noch rationelle Bürosysteme für seine alte Firma verkauft. Ich soll schätzen wie alt er ist. Ich kenne diese Falle. Lege die Jahreszahl etwas tiefer. Doch als er 73 sagt, zolle ich ihm ehrlichen Respekt.

Nur zuhören kann er nicht. Er verkauft sich lieber selber. Auch heute noch. Die Anderen sind nur Statisten. Typisch Verkäufer eben. „Rampensau“, würde man am Theater wohl sagen.

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