Was ist eigentlich „Zeit“?

Karlheinz A. Geißler vergleicht die Zeit für den Menschen mit dem Wasser, in dem die Fische schwimmen, ohne darüber nachzudenken, in was sie schwimmen. So geht es dem Menschen auch, die Zeit ist das Element, in dem wir uns bewegen.

Thomas Mann schreibt über die Zeit in seinem „Zauberberg“:

„Was ist denn die Zeit?“ fragte Hans Castorp und bog seine Nasenspitze so gewaltsam zur Seite, daß sie weiß und blutleer wurde. „Willst Du mir das mal sagen? Den Raum nehmen wir doch mit unseren Organen wahr, mit dem Gesichtssinn und dem Tastsinn. Schön. Aber welches ist denn unser Zeitorgan? Willst Du mir das mal eben angeben?

Siehst du, da sitzt du fest. Aber wie wollen wir denn etwas messen, wovon wir genaugenommen rein gar nichts, nicht eine einzige Eigenschaft auszusagen wissen! Wir sagen, die Zeit läuft ab. Schön, soll sie also mal ablaufen. Aber um sie messen zu können … warte! Um meßbar zu sein, müßte sie doch gleichmäßig ablaufen, und wo steht denn das geschrieben, daß sie das tut? Für unser Bewußtsein tut sie es nicht, wir nehmen es nur der Ordnung halber an, daß sie es tut, und unsere Maße sind doch bloß Konvention, erlaube mir mal …“

Zeit lässt sich einerseits objektiv messen, wir aber nehmen die Zeit subjektiv und daher unterschiedlich wahr. Zeit vergeht unterschiedlich schnell. Mal wünschen wir, dass sie überhaupt nicht vergeht, mal kann es uns nicht schnell genug geht.

Verliebte empfinden die Zeit mit dem Partner als flüchtig. Das Warten an der roten Ampel,  an der Kasse oder auf dem Zahnarztstuhl erscheint uns hingegen lang. Alte Menschen empfinden Zeit anders als junge. Für alte Menschen scheint die Zeit schneller zu vergehen, weil ihre „Uhr“, ihr „Zeitkonto“ bald abgelaufen ist und sie das Zeitliche segnen wird – sie also das Ende des Zeiterlebens erleben.

„Die Zeit ist eine Göttergabe, dem Menschen verliehen, damit er sie nutze – sie nutze, Ingenieur, im Dienste des Menschheitsfortschritts.“ (Luigi Settembrini in Th. Mann „Der Zauberberg“)

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