Selbstachtung im Alter

Mit zunehmendem scheinen viele ältere Männer immer weniger auf sich zu achten. So auch mein Vater. Das heißt keinesfalls, dass er ungepflegt war. Er hatte zum Beispiel immer einen Kamm, ein Taschentuch und eine Nagelfeile bei sich – auf gepflegte Hände legt er großen Wert.

Doch meist kam er zu den Familienfesten im Jahresrhythmus in nahezu der gleichen (Ausgeh-) Kleidung. Diese war stets sauber – aber weder „chic“ noch von ausgesuchter Qualität. Überhaupt war mein Vater für die alltäglichen Dinge des Lebens nicht bereit, viel Geld auszugeben. Nie wäre er von sich aus auswärts essen gegangen, wäre da nicht meine „mondänere“ Mutter gewesen.

Wahrscheinlich trägt man mit zunehmendem Alter gerne bequeme und vertraute Kleidungsstücke. Nach dem Tode meines Vaters war kein Gedanke daran, Kleidungsstücke trotz etwa gleicher Konfektionsgröße zu übernehmen und „aufzutragen“, wie es immer so schön heißt – oder wohl besser einst hieß.

Mein Vater trug in den frühen 50 und 60er Jahren durchaus „sportive“ und moderne Kleidung. Gewiss haben die Kriegsjahre, die Gefangenschaft und überhaupt das eher zurückgezogene Leben auf dem Lande dazu beigetragen, Kleidungsstücke lange zu tragen. Unsere Generation gibt hingegen sündhaft teure Marken-Anzüge in die Bethelsammlung, nur weil sie ein wenig aus der Mode gekommen sind – ganz und gar in gutem Zustand.

Vielleicht muss man dennoch auch selber darauf achten, im Alter die Selbstachtung nicht zu verlieren. Man lässt sich möglicherweise sonst gehen, wie Charles Aznavour einst so schön gesungen hat. Die Baumwollhose ist ja sooo bequem – nur eben etwas abgewetzt.

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2 Antworten zu Selbstachtung im Alter

  1. Dieter Osmers sagt:

    Lieber K.-H., ich finde du gehst mit deinem Vater zu streng um.
    Deine Formulierung über die mangelnde Selbstachtung gefällt mir gar nicht.
    Hier handelt es sich um eine Selbstgefälligkeit. Er hat sich so selbst gefallen. Leute gefallen sich so wie sie sind in ihrem Äusseren wohl. Wer sollte auf die Idee kommen, solche Leute ohne Selbstachtung zu bezeichnen? Klar, dein Vater kleidete sich ein wenig anders als die Dorfbevölkerung. Er war auch vielleicht ein wenig anders, weil er beim Theater gearbeitet hat. Aber keine Selbstachtung, das ist voll daneben.
    Wo ist die Toleranz der 60er Jahre geblieben wo sich jeder so kleiden konnte wie er wollte?

    Ich gehöre vielleicht auch noch der „Alte Klamotten Generation “ an, aber das heißt nicht, dass man seine Selbstachtung verliert. Adrett sauber ist doch ok.

    Was ist mit den Designerjeans mit lauter Löcher und Flicken, die sündhaft teuer bezahlt angeboten werden?

  2. Karl-Heinz Heidtmann sagt:

    Lieber Dieter,

    danke für den Hinweis!

    Vielleicht ist „Selbstachtung“ nicht das richtig gewählte Wort.
    Lass mich versuchen, es anders zu formulieren und damit besser herauszuarbeiten, was ich meine – denn Ziel des Beitrags ist es nicht, meinen Vater zu kritisieren.

    Zu Hause laufe ich selber auch nicht mit Anzug und Krawatte herum, wie ich es sonst in meinem Beruf mache. Doch auch legere Kleidung kann „schick“ und bequem sein, und es muss keinesfalls Markenkleidung sein.

    So, wie ich mich kleide, wirke ich nicht nur auf andere („Kleider machen Leute“), sondern ich wirke auch auf mich selbst. Wenn ich schäbige Klamotten anziehe, kann es schnell passieren, dass ich mich schäbig fühle.

    Wer mal einen „schlechten Tag“ hat, dem kann ich nur raten, sich mal richtig schick zu machen – und sofort steigt das eigene Selbstwertgefühl. Verbleibe ich im 20 Jahre alten, ausgeleierten und ausgebleichten Sweat Shirt mit der ausgebeulten Trainingshose, dann wird das eher nichts. Wohl gemerkt, es gibt Tage oder Momente, da ist „Schlabberlock“ das Gebot der Stunde, nur darf das mE nicht zur Gewohnheit werden.

    Und das ist es, was ich meinte: Wer äußerlich (dauerhaft) wenig auf sich achtet, schadet seinem eignen Selbstwertgefühl. Und das wird dann langfristig zu einem „Teufelskreis“.

    Ich habe deshalb meine Frau bereits vor Jahren gebeten, mich auf solche Tendenzen bei mir selber aufmerksam zu machen. Denn ab einem bestimmten Alter sind wir alle offenbar nicht davor gefeit.

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