Kopf oder Zahl? Haben oder sein?

Es scheint, als ob die Welt in zwei Sphären geteilt sei: In die der Zahlen-Adepten und in die der Buchstaben-Anhänger – „Les hommes des lettres“ et „les hommes des chiffres“. Die einen folgen dem Ruf des Mammons, die anderen dem Aufruf des Geistes.

Unsere Zahlen stammen aus dem Indisch-arabischen, unsere Buchstaben (zumindest der Wortethymologie nach) aus dem Germanischen (= „Buchen Stäbe“, die zu mythischen Gebräuchen verwendet wurden).

Die musischen Menschen haben wiederum ihre eigene Diktion, die Notensprache, wie Kunst überhaupt viele Ausdrucksformen hat.

Nun, die Zahlenmenschen haben sich vermutlich gedacht: Wenn der Schöngeist mit Buchstaben usw. beschäftigt ist, stört er uns wenigstens nicht beim Geschäftemachen.

Und in der Tat sind viele Zahlenfixierte selten gleichzeitig Schöngeister. Für so etwas haben sie meist auch keine Zeit, denn Zeit ist für sie Geld: Mehr Euch, mehrt Euch, das sind Moses und die Propheten!

Dem steht nicht entgegen, dass Zahlenmenschen teure Kunstwerke ihr Eigen nennen. Denn ebensowenig wie das mondäne Urlaubsziel den Reisenden adelt, bedeutet der Besitz eines Kunstwerks allein noch lange keine Kennerschaft. Hier steht als Motiv einmal mehr das „Haben“ im Vordergrund. Bei musischen Menschen ist es wohl eher die Kontemplation im „Sein“.

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