Es ist noch gar nicht lange her, da wurden wir alle mit der Nachricht vom Tode von Osama Bin Laden überrascht. Wobei diese Wortwahl jetzt sicher nicht den Kern des Geschehens trifft; denn genau genommen wurde er offensichtlich ermordet.
Nun ist es völlig klar, dass wir so eine Tat mit einem demokratischen Rechtsempfinden nicht für gut und richtig halten können. Gleichfalls kann unsere christliche Einstellung und unser Glauben diese Tat so nicht für gerechtfertigt ansehen. So kam es dann auch ganz schnell zu heftigen Kritiken, ob man sich denn darüber freuen dürfte? Wenn die Tat (wie soeben beschrieben) so nicht akzeptiert werden kann, dann ist eine Freude darüber ebenso verwerflich. So gesehen waren manche Äußerungen sicher kritisch zu betrachten und, um es mal etwas diplomatischer zu umschreiben, unglücklich in der Formulierung.
Dennoch: Ist das alles so richtig? Entspricht es unserem ehrlichen Empfinden? Gibt es Unterschiede zwischen Mord und Mord? Ist eine andere Sichtweise denkbar, wenn es sich um einen Terroristen und Massenmörder handelt?
Wie viel millionenfaches Leid wäre der Welt erspart geblieben, wenn es Menschen mit genügendem Mut gegeben hätte, Adolf Hitler zu töten! Wie viele Menschen haben Genugtuung bei der Verurteilung von Nazi-Verbrechern und Mördern empfunden, bis hin zur Todesstrafe! Ist die Genugtuung etwas so anderes als eine stille Freude? Können wir es den Überlebenden der KZ verdenken, wenn sie so empfinden? Ich sage ganz klar „nein“ – und ich bin gegen Mord. Ich möchte sogar noch weitergehen und empfinde es als ziemlich heuchlerisch, darüber lauthals zu krakelen, wenn Menschen sich entsprechend Luft gemacht haben – zum Ausdruck gebracht haben, dass der Mord sie nicht gerade mit Trauer erfüllt (einmal ganz anders ausgedrückt).
Glaubt denn wirklich jemand in der Welt, dass die Geschichte mit Osama Bin Laden anders ausgehen konnte? Glaubt denn jemand, er hätte sich in aller Ruhe festnehmen lassen, um einem ordentlichen Gericht überstellt zu werden? Alleine der Versuch hätte unzählige Tote und Verletzte ergeben. Die Welt hätte aufgeschrien über das stümperhafte Vorgehen dieser Spezialeinheit. Selbst wenn es gelungen wäre, ihn unversehrt herauszuschleusen, um ihn einem ordentlichen Gericht zu überstellen, wie wäre die Geschichte weitergegangen? Glaubt denn wirklich jemand, dass es zu einer Gerichtsverhandlung gekommen wäre? Es hätte jede Menge terroristische Anschläge gegeben – gegen Menschen, Gebäude, Richter, Sicherheitskräfte etc. Es hätte unzählige Tote gegeben, und es wäre wahrscheinlich nie zu einem Prozess gekommen; denn solche Leute lassen sich nicht einfach festnehmen und einem Gericht überstellen.
Das alles ist natürlich spekulativ; doch ich bin mir sicher, sehr dicht an der Wahrheit zu sein. Wer so gnadenlos und gewissenlos mordet, der übergibt sich nicht willenlos dem Gesetz. Wenn die Tat jetzt anders verlaufen wäre – der Standort war bekannt – man hätte über 1.000 km eine gezielte Rakete auf das Gebäude geschossen – das Ergebnis wäre identisch – wäre das nicht auch Mord?
Wohlgemerkt, ich bin gegen jegliche Art von Mord und Töten und Gewalt. In der Welt geschieht in jeder Sekunde so viel Unrecht, dass es nicht zu ertragen ist – und ein Mord ist kein Grund zur Freude; doch habe ich durchaus Verständnis dafür (wenn es einen Massenmörder und Terroristen weniger auf der Welt gibt), dass Menschen darüber eine gewisse Genugtuung empfinden und die erste Wortwahl nicht ganz den ethischen und christlichen Grundvorstellungen entspricht.