Das Auge meint nicht richtig zu lesen, der Verstand glaubt an sich selber zu zweifeln, wenn die SZ am Samstag schreibt:
„Selbst die Nato sieht wenig Chancen, in Libyen militärisch zu gewinnen – und hofft auf eine Verhandlungslösung.“
Ja, wie denn das auf einmal? Erst streitet man sich mit der UN darum, wer Gadhafis Truppen bombadieren darf und nur wenige Tage später nun diese Erkenntnis? Wusste man das nicht schon vorher? Und gab es solche Szenarien nicht schon häufiger in der Weltgeschichte?
„Weihnachten sind wir wieder zu Hause!“ hieß es im Oktober 1914. Sowohl in Vietnam, im Irak als auch in Afghanistan wollte man einen schnellen Krieg führen und gewinnen.
„Nur eine Woche nachdem die Nato die Führung über den Kriegseinsatz in Libyen übernommen hat, beginnt das Militärbündnis bereits, sich auf einen längeren Waffengang einzustellen.“ (…) „Im Hauptquartier der Allianz wird bereits von einem bevorstehenden ‚Zermürbungskrieg‘ geredet.“ (…) „Angesichts dieser Lage sagt die Nato-Sprecherin Oana Lungescu, dass es ‚klar ist, dass es keine reine militärische Lösung‘ in Libyen geben könne.“ (SZ 9./10. April 2011)
Auch der US-amerikansiche General Carter Ham, der im Auftrag der UN zunächst die Angriffe leitete, bevor die Nato übernahm, hält einen Sieg der Rebellen für wenig wahrscheinlich.
Die Mission „Unified Protector“ hat bereits 1500 Einsätze in Libyen geflogen. Das Land liegt in Schutt und Asche – wie immer in solchen Fällen. Die Bevölkerung ist zerrissen in „gut“ und „böse“. Und jetzt kommt man zu der Einsicht, dass Verhandlungen das Mittel der Wahl seien?
Erschwerend kommt offenbar hinzu, dass es immer schwerer fällt, zwischen Gadhafi-Truppen und Aufständischen zu unterscheiden. Wie auch? Bis vor kurzem gab es diesen Unterschied nicht und ein Libyer sieht in der Tat dem anderen ähnlich. Da bombardiert man schon mal die Falschen. Und schon bald könnte sich einmal mehr erweisen, dass die „Aufständischen“ keinesfalls den „Gütekriterien“ der westlichen Alliierten entsprechen. Die „Guten“ werden plötzlich udn nachhaltig zu den „Bösen“. Auch das hatten wir alles schon mehrfach (Saddam Hussein, Bin Laden usw.).
Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb man auch unsicher in der Wortwahl für die „Guten“ ist, denn einmal spricht man von „Aufständischen“ und dann wieder von „Rebellen“ – beides erzeugen idR wenig positive Konnotationen. Im ersten Afghanistankrieg hatte man das sprachlich klar geregelt: Man nannte jene Afghanen, die man heute „Taliban“ nennt und gegen die man heute kämpft, einst „Freiheitskämpfer“. Das gibt zu denken!
Niklas Luhmann hat einst das Buch „Legitimation durch Verfahren“ geschrieben. Erstmal Fakten schaffen, dann weitersehen, lautet offenbar auch die Devise der an diesem Krieg beteiligten Staaten.