Plattdeutsch, auch Niederdeutsch genannt, ist die ursprüngliche Sprache Norddeutschlands. Dabei ist Plattdeutsch oder Niederdeutsch kein Dialekt, sondern eine Sprache – nach dem Katalanischen sogar die zweitgrößte Regionalsprache Europas.
Solange die „Hanse“ ein mächtiger Städtebund und nordeuopäische Großmacht war, war das Niederdeutsche deren Sprache. Mit dem langsamen Niedergang der „Hanse“ verlor dann auch das Niederdeutsche seine Bedeutung. Luther macht dem „Platt“ dann den Garaus, denn er übersetzt die Bibel in die deutsche Schriftsprache, die vom „Hochdeutschen“ abgeleitet war und südlich einer Linie Düsseldorf-Harz gesprochen wurde.
Plattdeutsch spricht man von Ostfriesland, über Bremen und Hamburg, Schleswig-Holstein bis Mecklenburg-Vorpommern. Und wenn auch jede Region, ja, manchmal gar jeder Ort seine eigene dialektale Variante hat, so verstehen sich all diese Landsmannschaft bestens auf Platt. Bei uns sagt man „koie“, in Fischude „kai“, wenn man die Mehrzahl der Schwarzbunten meint. Bei uns „schnackt“ man auch, während man in anderen Orten „kört“ oder „proot“. So einer wie ich schnackt „een beten“ platt, hinter Oldenburg würden man „een beetje“ oder „een bietje“ sagen.
Spätestens als Anfang der 60er Jahre der Bildungsnotstand in Deutschland (PISA ist keine wirklich neue Erfindung) diagnostiziert wurde, begann die Zahl der Plattschnakkers abzunehmen. Fortan galt als rückständig, wer Platt schnackte und die Schulen wurden angewiesen, den Schülern das Plattdeutsche auszutreiben. Daran ist dann mancher brave Schüler, bei dem zu Hause zwei oder manchmal drei Generationen unter einem Dach ausschließlich Platt miteinander sprachen, schulisch gescheitert. Wer Platt sprach, galt bald als zurückgeblieben.
Zum Glück gibt es seit vielen Jahren wieder eine Gegenbewegung, durch die man das Plattdeutsche zu bewahren sucht. Radio Bremen sendet Montag bis Freitag jeweils um 10:30 h „Plattdüütschen Nahrichten“ – im Internet auch zum Nachlesen. Im Oldenburger Münsterland gibt es einen Plattdütschen Kring, der sich um das Sprachgut kümmert. Der NDR kulitviert Platt jeden Werktag um 10:40 h in seiner Sendereihe „Hör mal’n beten to„. Der Meppener Ludger Abeln macht im NDR-TV-Landesprogramm einmal im Monat einen plattdeutschen Frühschoppen.
So wie das Bayerische zu den Bayern gehört oder die Hessische Mundart zu Hessen, so wurde auch in meinem Heimatort Sagehorn bis Mitte der 20. Jahrhunderts vorwiegend „Platt“ gesprochen. Wenn ich in meinem Heimatort anderen Bewohnern begegne, dann sprechen wir in der Regel Platt – jedenfalls, so gut wie ich es kann, denn richtig gelernt habe ich es auch nicht mehr. Mein Großeltern sprachen beide Dialekte, Platt- und Hochdeutsch, und mein Vater beherrschte es auch noch einigermaßen.
Manches hört sich auf Platt einfach besser, netter oder harmloser an. „Ik pet di gliks in mors“ ist auf Hochdeutsch weniger akzeptabel. Und „Oh, kop vul blood un lökkers“ klingt doch auch weniger brutal als der Originaltext im Gesangbuch.
Hier eine kleine Geschichte, die mein ehemaliger Schulkamerad Horst-Günther Herbst einst auf Platt erzählte:
„Letzten sündag inne karken, door wöör de klingelbüddel plötzlich wech. Door het de küster sien hood nomen is dormet döör de bänke goon. Doch keen een wull door wat rinlegen. Als he endlich al sletzten in reech bi buur Piepenbrink ankeem, sei düsse: „Nee, mien hood is dat ook nich!“
Jo, so sin se, de münschen bi us!
Als junger Mensch habe ich mich immer geschämt z.B. in Bremen mit meinen Eltern platt zu schnacken. War das doch die Sprache der dummen Bauern und ungebildeten Unterschicht.
Zuhause haben wir in unserer Familie immer zusammen Platt gesprochen. Bis auf mein Bruder, der hatte ein Kindermädchen, das immer Hochdeutsch mit ihm gesprochen hat. Er hat es dann aber doch noch etwa mit 14 bis 16 Jahren gelernt.
Bis auf die zugezogenen Flüchtlinge sprachen eigentlich alle Alteingesessenen in Sagehorn Platt. Spätestens mit Eintritt in die Schule bekamen die Schüler Probleme mit der plattdeutschen Sprache. Dort wurde im Unterricht Hochdeutsch gesprochen. Somit mussten die Kinder ihre plattdeutschen Gedanken erstmal ins Hochdeutsche übersetzen.
Da kam dann so manches Kauderwelsch dabei heraus. Zumal die Grammatik auch recht unterschiedlich ist.
Es gibt da eine kleine Geschichte, die mein Vater immer erzählt hat, und sich auch so zugetragen haben soll:
Bauerntochter Anna kommt zu spät zur Schule. Sie möchte dem Lehrer zur Entschuldigung den Grund ihrer Verpätung erklären:
„Schmidts Göse haben mich gebissen und unser Christel wollte mich nicht züben.“
(Hinweis: „züben“ gibt es nicht im Plattdeutschen. Es gibt „töben“ und das bedeutet „warten“. Das Mädchen wollte es aber auf Hochdeutsch sagen, doch dabei ist dann Kauderelsch „züben“ herausgekommen.)
Beim Kolonialwarenladen Hibbel, später Schwarmann, gegenüber der Schule gab es nämlich immer angriffslustige Gänse. Die Kinder hatten immer mächtig Respekt vor dem Federvieh. Solange Tante Ernas Mutter Sophie gelebt hat, hat es immer noch diese Gänseschar gegeben. Einge hatten Namen und sind wohl auch eines natürlichen Todes gestorben.
Heutzutage ist Plattdeutsch wieder gesellschaftsfähig. Es gibt sogar Kurse bei der Volkshochschule. Leider wird nur noch sehr wenig Plattdeutsch gesprochen. Wohl nur noch von Leuten meiner Generation. Vereinzelt hört man mal Kinder mit ihren Eltern platt schnacken. Ich bedauere es sehr, dass ich die Plattdeutsche Sprache nicht meinen Kindern vermitteln konnte.