Stubenhocker?

Die Stube ist – zumindest im norddeutschen Raum – eine andere Bezeichnung für Wohnzimmer. Etymologisch bezeichnet es einen warmen Wohnraum (das Wort ist verwandt mit engl. stove = Ofen), der insbesondere im Winter oft das einzige beheizbare Zimmer und somit der Hauptaufenthaltsort der Bewohner war.
   
Wenn ich die vielen kuscheligen Versuche der Kundenumgarnung sehe, die Friseurinnen, Nagelstudios oder Bücherhändler mit dem Wort „Stube“ anstellen, dann wird mir allerdings meist ganz „blümerant“ (norddeutsch für unwohl, abgeleitet von frz. „bleu meurant„). Wenn man (de facto meist wohl immer frau) es doch wenigstens bei einer einigermaßen akzeptablen Raumgröße beließe, aber nein, das Diminutiv  „-chen“ muss partout dazu:
   
„Biggi´s Nagelstübchen“ – da stört nicht nur der Apostroph.

„Ute´s Bücherstübchen“- viel Auswahl kann die nicht haben.

„Das HiFi-Stübchen“ – da bekommt man wohl nur kleine Anlagen.

„Das Korsettstübchen“ – da wird wohl eng geschürt werden müssen.

„Das Sprachstübchen“ – offensichtlich nur für Kleingruppen.
   
Oder haben es wir es mit in allen Fällen mit „Understatement“ zu tun? Ob sich wenigstens das Finanzamt dadurch milde stimmen lässt? Befreiung von der Umsatzsteuer oder so?
   
Ich gehe da jedenfalls nicht rein, muss ich doch befürchten, mir an niedrigen Deckenbalken den Kopf einzurennen, klaustrophobische Attacken zu bekommen oder vor Puseligkeit (rheinisch für unordentlich, durcheinander, norddeutsch eher, wenn mit Schnickschnack überladen) Depressionen zu bekommen.
   
Jetzt gehe ich aber erstmal in unsere „gute Stube“, auch so eine Erfindung von uns Norddeutschen. Dort saß man allerdings nur an Sonn- und Feiertagen. Alltags musste die Küche genügen. Gerade in dieser draußen eher ungemütlichen Jahreszeit ist es in der „Stube“ nämlich durchaus gemütlich – auch so ein Wort, das nicht 100% sauber in andere Sprachen zu übersetzen ist.

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