Mancher Leser des Z(w)eitgeistes wird sich in den vergangenen Wochen gefragt haben, warum an dieser Stelle plötzlich so viel über meinen Heimatort Sagehorn geschrieben wurde. Nun, zu unterscheiden ist dabei wie immer zwischen Ursache und Anlass.
Anlass war der Tod meiner Mutter im September, in desses Nachfolge mir bewusst wurde, wie vieles ich vergessen hatte, sie rechtzeitig zu fragen. Zeit genug wäre gewesen. Sie war ein ausgezeichete Zeitzeugin.
Ursache jedoch ist das Wissen, dass es sich lohnt, die Geschichte von Menschen aufzuschreiben. Dabei ist es gleichgültig, über welche Menschen in welchen Orten man berichtet. Die gesamte Weltliteratur lebt von nichts anderem. Und so ist die Geschichte des Einzelnen die Geschichte aller. Das ist immer persönliche Geschichte – und die ist oft viel interessanter als das öde und fade Leben mancher „Promis“.
Jeder Ort, in dem Menschen leben, ist ein Abziehbild, ein Muster der anderen – auf Englisch ein „template“. Daraus erhellt sich auch der fiktive Ort „Templathe“ des gleichnamigen Webromans, an dem alle mitschreiben können. Da findet sich eine Menge aus Erlebtem und Erfundenem. Oder wie Siegfried Lenz in einem Interview dieses Jahr sagte, gibt es als Schriftsteller keine Möglichkeit, von sich selber abzusehen:
“Was immer du schreibst, du gibst etwas von dir selbst preis. Man kann nicht über andere schreiben, ohne zugleich über sich selbst zu schreiben. Und also durchblicken zu lassen, was einen selbst zutiefst bedrückt.”
Vielleicht ist das Erinnern an früher auch nur ein Zeiches des Altwerdens, denn in jungen Jahren zählt einzig das, was kommt. Doch je älter wir werden, desto mehr schauen wir zurück. John Knittel („Via Mala“) schrieb:
„Alt ist man erst dann, wenn man an der Vergangenheit mehr Freude hat als an der Zukunft.“
Lassen Sie sich also auch also entfernter Zaungast ab und an überraschen, wie lebendig die Vergangenheit sein kann! Mord und Totschlag haben wir (bisher) nicht zu bieten, wohl aber die eine oder andere Leiche …