Vor einiger Zeit wurde ich gefragt, ob ich bereit wäre, einen Beitrag von Matthias Machnig in dem Buch „Kommunikation und Krise“ zu rezensieren. Ich sagte zu.
Der Autor des Artikels ist derzeit Wirtschaftsminister in Thüringen. Matthias Machnig hat einen bemerkenswerten Lebenslauf. Nach vielen Jahren als Berufspolitiker war er eine Reihe von Jahren als Unternehmensberater oder besser „Strategy Consultant“ tätig.
Und so nimmt es nicht Wunder, dass Machnig in seinem Beitrag „Politische Kommunikation“ letztlich über „Politik“ als Produkt spricht. Denn er weiß, dass es „immer stärker von Medien getragene Kampagnen, die Image- und Eventagenturen (zu) erstellen und begleiten“ gibt. Fürwahr Personen (i.e. Medienmenschen) sind in den vergangenen 15 Jahren zunehmend wichtiger geworden als Programme – das weiß man seit Gerhard Schröders Medienkompetenz und spätestens Obamas Wahlkampf.
Nicolas Berggruen sagte in der ZEIT (46/2010): “Es wird um die Leistungsfähigkeit von Regierungen gehen und darum, wie sie ihre Bürger behandeln und beteiligen.“ Das ist vom Ansatz her etwas anderes als bei Machnig, dem es lediglich um die „Deutungshoheit“ geht: „Durch eine mediengerechte Öffentlichkeitsarbeit sowie durch ein gekonntes Ereignis- und Themenmanagement lassen sich Themen und Zeitpunkte der Berichterstattung beeinflussen.“ Beeinflussen – das ist es, worauf es ihm und der gesamten Werbebranche letztlich ankommt, es geht um die öffentliche und die veröffentliche Meinung. Es geht ihm daher auch nicht um Inhalte und Werte an sich, sondern nur darum „welche Werte eine politische Relevanz besitzen“. Der Zweck heiligt dabei einmal mehr die Mittel. Dabei kommen dann zB wohl 2,8 Millionen Euro teure PR-Texte heraus wie die „Vier Versprechen“ der Kanzlerin.
Machnig ist durch und durch “Strategy Consultant“ und „Politikverkäufer“. Der „Spiegel“ schreibt so schön über den thüringischen Wirtschaftsminister: „Der Neue mache den Eindruck, als suche er wirklich das Gespräch.“ (23.03.2010). Doch entgegen der verbreiteten neo-liberalen Ansicht lässt sich nicht alles in einem Staate ökonomisieren: Soziales, Bildung, Wissenschaft usw. entziehen sich einer berechenbaren Amortisation. Deshalb brauchen wir auch nicht noch mehr und noch bessere „Politikberater“, nach dem Motto „Hinter jedem starken Politiker steht ein starker Berater“. In der ehemaligen Sowjetunion nannte man solches Tun übrigens „Agitprop“ – Agitationspropaganda.
Wir brauchen bessere Politiker (das Maß der Mediokrität ist voll) und wir brauchen mehr Authentizität bei den Politikern, Menschen, die meinen, was sie sagen und tun, was sie ankündigen! Wir brauchen nicht mehr „Kommunikation“, sondern einfach mehr Haltung – und die drückt sich dann zwangsläufig in Kommunikation aus – „Sprache ist Gesinnung“ (Tucholsky). Und wo kommen wir hin, wenn nur noch lauter „Stellvertreter“ die Politik machen? Und das nicht nur im Hintergrund wie bisher, sondern auch noch aktiv als Politiker! Final wäre das die Dominanz der „Vierten Macht“! Das ist „Lex Berlusconi“! Es gilt achtsam zu sein, denn das Modell Berlusconi ist auch anderenorts stark auf dem Vormarsch. Der Medienpopulismus hat bereits jetzt mehr Einfluss auf die Bevölkerung als die Parlamente. Ja, es hat schon ein „Geschmäckle“, wenn ehemalige Politiker in die Wirtschaft gehen und wenn ehemalige Berater Minister werden. Die Medien haben der Politik auch hierzulande bereits weitgehend ihre Regeln aufgezwungen.
Was wir in diesem Staat aber weiterhin brauchen, ist die klassische Gewaltenteilung! Aber das gehört wohl für „Strategy Consultants“ ins Reich der Utopie, des Idealismus – oder schlimmer noch, des „Dilettantismus“.