Hölderlin

Gestern Abend gab Juraj Sivulka gemeinsam mit dem Pianisten Axel Witt die Premiere einer szenischen Lesung: „Stationen eines Lebens – Friedrich Hölderlin“ im gut besetzten Rathaus Stuhr – was angesichts der eher verhaltenen Rezeption Hölderlins und seines eher schwer zugänglichen Werks beachtlich ist.

Der Deutsch- und Sportlehrer Sivulka am Gymnasium Bruchhausen-Vilsen hatte in den umliegenden Gemeinden bereits vor einem Jahr mit seinem Schiller-Vortrag anlässlich des 250 Geburtstages des deutschen Dichters auf sich aufmerksam gemacht.

Der im Jahre 1969 im slowakischen Kamienka geborene deutsch-slowakische Sivulka war bestens präpariert und hat den knapp zweistündigen Vortrag dramaturgisch gut inszeniert: Abgedunkeltes, sparsames Licht, Musik (wes Komponisten Klavierstücke das waren, blieb leider unklar), Rezitate, Leinwandprojektionen versetzten die Zuschauer und Zuhörer in die richtige Stimmung für Friedrich Hölderlin, denn anders als beim rebellischen Schiller gibt es beim introvertierten und melancholischen Hölderlin nichts zu lachen.

Vielleicht lag es an seinen frühkindlichen Erfahrungen, denn das Leben des im Jahre 1770 in Lauffen am Neckar geborene Friedrich Hölderlin war früh von manchem Tod begleitet. Nicht nur verlor er als Kind Vater und Stiefvater, sondern auch vier seiner Geschwister. Die Beziehung zu seiner Mutter war innig und hat fortan sein Verhältnis zu den Frauen geprägt. Als seine letzte Geliebte, die Bankiersfrau Susette Gontard, der er als Diotima in seinem Briefroman „Hyperion“ ein Denkmal setzt, stirbt, beginnt sein psychischer Verfall. Nach kurzen Stationen an verschiedenen Orten verbringt er fortan als „Scardanelli“, „Killalusimeno“ oder „Buonarotti“ die zweite Hälfte sein Lebens als Geisteskranker – die genaue Diagnose konnte bis heute nicht gestellt werden – bis zu seinem Tode im Jahre 1843, versorgt von der Familie Zimmer, in seiner Turmstube in Tübingen, wo er eigentümliche, apokryphe Gedichte und Texte verfasst, allerdings in großen Mengen auch immer wieder vernichtet.

Dazwischen liegt die von der Mutte gewünschte Ausbildung des begabten Knaben zum evangelischer Pfarrer. Doch eine kirchliche Laufbahn behagte Hölderlin nicht und so wurde er Hauslehrer (oder „Hofmeister“, wi es seienrzeit hieß) für die Kinder wohlhabender Familien – unter anderem bei Charlotte von Kalb – durch die er Kontakt zu Schiller und Goethe bekam, die sich jedoch nur mäßig für den jungen Romantiker interessierten. Besonders der oftmals hochmütige und Konkurrenz fürchtende Goethe hatte wenig übrig für „Herrn Hölderlein“ – hatte er doch schon die „Romantik“ hinter sich gelassen.

Nur wenige Zeitgenossen erkannten ihn als den „größten deutschen Lyriker“.

Eine Notiz aus der Turmzeit resümiert er: „Nun versteh ich den Menschen erst, da ich ferne von ihm und in der Einsamkeit lebe.“

Es muss nicht immer der prominente „Gelehrte“ sein, der sein Publikum zu erhellen vermag. Auch der „Ama-teur“, der sein Metier Liebende kann begeistern. Das Publikum dankte den Vortragenden mit anhaltendem Applaus – und bekam als Dank für zehnjährige Treue ein „Bonbon“ mit nach Hause.

Hier ein abschließendes Bonbon von Hölderlin daselbst:

Lebenslauf

Größers wolltest auch du, aber die Liebe zwingt
All uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,
Doch es kehret umsonst nicht
Unser Bogen, woher er kommt!

Aufwärts oder hinab! herrschet in heilger Nacht
Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,
Herrscht im schiefsten Orkus
nicht ein Grades, ein Recht noch!

Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich,
Habt ihr Himmelischen, ihr Alleserhaltenden,
Daß ich wüßte, mit Vorsicht
Mich des ebenen Pfads geführt.

Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,
Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern,
Und verstehe die Freiheit,
Aufzubrechen, wohin er will.

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