„Gasthäuser“, „Gaststätten“, „Gasthöfe“, „Schänken“, „Tavernen“, „Wirtshäuser“ oder vulgo „Kneipen“ oder „Pinten“ haben eine lange Tradition. Immer schon war der Mensch nomadisch unterwegs, ist gereist. Mit fortschreitender Zivilisation brauchte er dann sein müdes Haupt nicht mehr in Gottes freier Natur zu betten oder sein Wildbret über dem offenen Lagerfeuer zu braten, sondern konnte einkehren und sich bedienen lassen.
Gasthäuser usw. oder Tavernen (von lat. taberna – Schuppen, Scheune) waren Wirtshäuser mit Speisungs- und Beherbergungsrecht für Personen und ihre Pferde. Sie waren Träger öffentlicher Funktionen (zB Posthalterei), an bestimmte Gebäude gebunden und konzessionsabhängig. Von den Gasthäusern unterschieden sich Schänken ohne Beherbergungsrecht und mit Einschränkungen bei den öffentlichen Funktionen sowie beim Speisungsrecht (noch heute ist ja in einigen Ländern der Verkauf von Spirituosen an bestimmte Konzessionen gebunden). Das Kaffeehaus bildete ab dem 17. Jahrhundert das Zentrum des Geschäftslebens. Der Besuch eines „Restaurants“ war anfangs nur der Elite vorbehalten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Geschäftsessen abgehalten und der Siegeszug der Restaurants setzte sich fort.
In den 60er und 70er Jahren konnte man in Sagehorn noch, wenn man Durst hatte, eine richtige „Tour de Sagehorn“ machen – und dabei in einer Vielzahl von Gaststätten einkehren. Gemeinsam mit Dieter Osmers habe ich versucht, diese zusammenzufassen. Fangen wir lauschig mit den „Wümmedielen“ an (zuletzt betrieben von Familie „Timmersloh“ – jedenfalls nannten wir sie so, auch wenn sie anders hießen) oder „In der Deepen Wisch“ (die in den 90er Jahre auch kurzzeitig als Feinschmeckerlokal galt).
„Kurt Meyers Sommergarten“ hieß später „Sillingers Gaststätte“ und war lange Zeit der Treffpunkt aller Vereine. Viele Eltern meiner Klassenkameraden waren hier lange Jahre Mitglied in diversen Kegelvereinen. Anfangs wurden die Kegel noch von „Kegeljungs“ per Hand aufgestellt, später übernahm das dann ein Automatik – und das Ganze wurde eine „Bundeskegelbahn“! Davor hieß dieses Lokal übrigens „Rathjens Sommergarten“, ein Vorfahre von Dieter Rathjen, denn nach Hermann und Herma Sillinger wurde die Gaststätte wieder von Elke und Dieter Rathjen geführt. Hier erinnere ich mich als Jugendlicher an so manches Bier mit nachfolgender „Mockturtle“-Suppe (bitte deutsch aussprechen!).
Die „Bärenschänke“ lag auf der Grenze zu Oyten. Die Gaststätte wurde erst vor wenigen Jahren geschlossen. Gerne hat man dort Familienfeiern gefeiert, natürlich auch den traditionellen „Kohl & Pinkel“ – große Portionen waren hier selbstverständlich.
Lange Zeit gab es auch die „Bahnhofsgaststätte“, betrieben von „Tante Paula Barge“. Hier erinnere ich mich an den ersten Geldspielautomaten, in den man einen Groschen (10 Pfennigstück) einwerfen konnte. Dann bediente man mittels eines Hebels eine kleine Kugel, die – ähnlich wie später beim Flippern – in ein Fach für 10, 20, 30 50 Pfennig oder als Maximum gar 1 D-Mark fallen konnte – und natürlich auch ins Aus. Tante Paula schaute nicht so genau hin, wenn wir Pökse uns am Geldspielautomaten begeisterten, der ja eigentlich erst ab 18 Lebensjahre freigegeben war, aber herrlich übersichtlich und einfach zu verstehen – heute komme ich mit den modernen Geräten gar nicht mehr klar. Früher war dort viel Betrieb, die Bahnpensionen wurde nämlich einmal im Monat bar ausgezahlt, da ging man dann schon mal einen Schnaps darauf trinken.
Am Rande der Gemeinde gab es eine Gaststätte am Meyerdamm. Die ist auch schon lange dicht. Sie hieß „Zum Kronprinzen“. Der Wirt war „Wackers Fritz“, hieß aber eigentlich Osmers, ein entfernter Verwandter von Dieter Osmers. Der Name der Kneipe kommt daher, weil die Eltern von Wackers Fritz beim Kronprinzen im Schloss Berlin Potzdam gedient hatten. Prinz Louis Ferdinand, Enkel des letzten Kaisers, hat die Familie in den Jahren nach dem Kriege regelmäßig besucht. Wohl auch um die leeren Mägen in den Hungerjahren ein wenig aufzufüllen.
Doch es gab noch weitere Gaststätten z.B. „Tollner“(Hinni Mindermann, Kohlenhandlung etc.) am Bahnhof. Das war sogar ein Bahnhofshotel (siehe Foto)!
Dann gab es Warke in Bockhorst. Daneben gab es noch einige „schwarze“ Kneipen, z.B. bei Werner Köster oder Brüne Esselmann.
Dieter berichtet weiter, dass auch seine Familie zu Anfang des letzten Jahrhunderts eine Wirtschaft hatte. Es gab da sogar eine „Open-Air“ Kegelbahn. Eine riesige Kegelkugel hat Dieter noch. Als er Kind war, hat er oft mit einem Musikautomaten gespielt, der aus dieser Kneipe stammte. Da konnte man eine Münze einwerfen und es ertönte ein Glockenspiel. Man musste riesige Blechplatten einlegen um die jeweiligen Stücke abzuspielen, ein Vorläufer der Musikbox.
Nicht vergessen seien auch die „Zöllnerstuben“ am Oyterdamm, offenbar in früheren Zeiten die Zollgrenze zwischen der Oyter Gemark und den Bremern (wer weiß mehr?). Johann Mindermann hat davon ein Foto, da die Gaststätte einst von einem Familienmitglied der Mindermänner betrieben wurde.
Als letzte Bastion – und noch heute geöffnet – „Zum alten Krug“. Einst war hier die Poststelle, die von Familie Kackebart (ja, die hießen so) betrieben wurde. Im gleichen Gebäude war auch lange Jahre der einzige offizielle „Fernsprecher“, eine enge Holzkabine, deren Tür man schließen konnte, aber nach kurzer Zeit wieder öffnen musste, weil es zu stickig wurde. Die Poststellenhalterin, Marianne Kackebart, konnte aber auch bei geschlossener Tür gut mithören. Überhaupt wurde das mit dem Postgeheimnis bei uns nicht so genau genommen. Unsere Landzusteller („Postbote“ hießen die) fassten uns die Inhalte von Ansichtskarten meist kurz zusammen und sagten vom Fahrrad aus an, wer uns geschrieben hatte, das sparte Zeit. Komisch nur, dass die meisten Postboten gerne einen (über der Durst) tranken. Vielleicht lag das an der Kombination Post und Gaststätte? Das waren ja auch in der Tat ganz kurze Dienstwege! Vielleicht machte aber einfach auch nur das Radfahren durstig.
Die Kneipe Timmersloh „Zur Wümmediele“ wurde von Heini und Guste Königsdorf betrieben. Die Familie kam aus Timmersloh, ein kleines Dorf nahe Borgfeld. Daher der Beiname. Dort hatten sie auch schon eine kleine Kneipe.
Die Wümmediele hatte vorher Jahrelang brach gelegen, nachdem Lene Meyer gestorben war. Sie war die Frau von „Wümmejan“ Jan Meyer. Nachdem die Timmerslohs die Kneipe widereröffnet hatten, kam wieder richtig Leben in die Bude. Dort ging es sehr „rustikal“ zu, bedeutet es war nicht sonderlich sauber. Die Gäste waren ähnlich rustikal und störten sich nicht daran. Ausserdem hatten die Timmerslohs eine Menge Kinder, darunter einige Töchter im heiratsfähigen Alter.
Das mag auch einer der Gründe gewesen sein, warum viele junge Männer dort einkehrten. Heinz Wickbrand hat dann auch eine der Timmersloh Töchter geheiratet.
Herrmann G. war einer der durstigen Postboten der täglich bei den „schwarzen“ Gaststätten eingekehrt ist. Die Post kam dann entsprechend spät Nachmittags an. Ein anderer namens Oelkers, hatte oftmals nicht pünktlich die Rundfunkgebühren kassiert, weil er oft Halt machen musste, um seinen Durst zu stillen. So hat er das Geld erstmal „vorgeschossen“ und dann nach und nach kassiert. Damals ging das noch nicht bargeldlos.
Stammgast bei Gerda im Alten Krug war Heini Schwenker (Sohn vom Frisör Hermann Schwenker) Er pflegte immer zu sagen:“Ich bin das deutsche Wirtschaftswunder, ein Wunder wenn ich nicht in der Kneipe bin“. Heini hat sich vor einigen Jahren das Leben genommen. Angeblich weil er mit der Einführung des Euro nicht zurecht kam. Er hatte gemeint, dass er dann nur noch die halbe Rente bekäme. Das war aber bestimmt nicht die ganze Wahrheit.
Frisör Schwenker hat mir immer den Militärhaarschnitt verpasst, auch „Pisspottschnitt“ genannt. Die Haare wurden zum Schluss aus einer riesigen „Brisk“ Tube mit Pomade regelrecht durchtränkt. In seiner Frisörstube gab es auch einen Schrank wo er „Fromms“ zum Verkauf anbot. Damals wusste ich noch nicht um was es sich da handelte.
Ein Tipp für alle, die hier genüsslich nochmal Ännes Hühnersuppe oder das Bier oder den Tee in der Kneipe genüsslich schlürfen und noch gehen können:
Herta, die Jahrzehnte in der Bärenschänke unzählige Menschen freundlich und humorvoll mit Essen und Trinken, Anteilnahme und Trost bewirtet und für das Wohl vieler Menschen auch im Oytener Heimatverein gesorgt hat, sitzt seit einigen Jahren im Rollstuhl. Seitdem ist sie vergessen und bekommt fast keinen Besuch mehr, wie das vielen alten Menschen in Sagehorn ging, nachdem sie gebrechlich wurden, ihre Wohnungen nicht mehr verlassen konnten oder ins Altenheim gebracht wurden. Mittlerweile sind die meisten von ihnen gestorben.
Herta freut sich über jeden Besuch von Menschen, die sie mag und die sie ehrlichen Herzens mögen, die sich freuen, sie mal wieder zu sehen und ihr damit eine Freude machen…
Dein Fundus von Dokumenten aus der Vergangenheit scheint noch einiges hervorzubringen. Bin dir für die Postkarte sehr dankbar.
Habe in diesen Räumlichkeiten viele Stunden verbracht.
Sei es am Tresen, umnebelt von unzähligen Bieren.
Ein Teil meiner Jugend.
Andererseits als Kegelaufsteller in der Kegelbahn.
Unter anderem für den Kegelclub der Pauker mit Mobbel, Walter Theis und Victor Guth.
Geld habe ich keins bekommen, lediglich ein paar Cola.
Vor dem eigentliche Kegeln musste ich für Herrmann Sillinger schon Kegel aufstellen.
Er hatte sich dann schon mal warm gekegelt um dann nachher gut auszusehen.
Solch eine Jukebox gabe es unserer Kneipe um 1900.
Sie landete dann auf dem Dachboden.
Als Kinder haben wir gerne damit gespielt. Irgendwann hat ein Antiquitätenhandler
die Maschine auf nimmerwiedersehn abgeholt.
Eigentlich schade drum.
http://www.youtube.com/watch?v=0Z2jeFAMpQg&feature=related
Ich meine mich zu erinnern, dass Dein jüngerer Bruder Heini das Teil anlässlich seiner Geburtstage noch mal bedient hat. Kann das sein?
noch eine Juke Box
http://www.youtube.com/watch?v=xMIyDKjnC7g&feature=related
Hallo Karl-Heinz, ich habe einiges gelesen aber noch nicht alles. Es sind viele Kleinigkeiten die mich an Sagehorn erinnern. Ich habe kürzlich gehört die alte Mühle auf dem Berge sollte auch schon vor ganz langer Zeit im Besitz von Bauer Köster gewesen sein. Vieleicht kann ja Dieter Osmers noch etwas herausfinden.
Das Modell dieser Mühle steht seit Dez. 2010 im Garten von Hermann Lueßen (Alten-Pension) in Sagehorn.
Ich lese weiter und wenn mir etwas einfällt werde ich auch etwas dazu schreiben.
Viele Grüße von Oma Anni (Patentante) und Ursel,
Gerd-H. Bertram.
In der Gaststätte Kackebart wurde ca. Mitte bis Ende der 50-iger Jahre eine freiwillige Feuerwehr Sagehorn gegründet. Gründungsmitglieder waren unter anderen Ewald Thorweger und Dierk Pohlmann. Es wurde ein geschlossener alter Einachsanhänger mit einer Pumpe angeschafft und als Zugmaschine diente ein Traktor Fabrikat Fendt, Eigentümer Hinnerk Lueßen (Nachbar von Kackebarts). Es wurden junge und sportliche Männer gesucht und auch gefunden. Ich war kurzzeitig auch dabei und habe sogar Lehrgänge in Loy besucht und die Fahrt dorthin fand in einem Lloyd 250 statt, der an jedem Hügel mit 4 Personen beladen erheblich schnaufte. Ich kann mich an einem Einsatz erinnern denn im Klüverdamm waren durch eine Windhose viele Bäume auf den Damm geworfen und diese mußten entfernt werden, was uns mit den geringen Mitteln nicht kpl. gelang.
Ich glaube das ganze bestand nur 4-5 Jahre.
Die Wümmediele (dort hinzugehen war mir von meinen Eltern strengstens verboten! Natürlich hat das besonders gereizt – außerdem gab es da Persiko, Appelkorn und Bier auch für 14jährige. Ich musste nur aufpassen, dass mich auf den Weg dahin niemand sah. Weil: die Dorf-Buschtrommel funktionierte immer sehr gut! Mein Aufpassen hat häufig nicht geklappt – die Trommeln immer!)
Zur Wümmediele und Zöllnerstube:
Lene Meyer und “Wümmejan” Jan Meyer waren meine Urgroßeltern.
Mein Großvater Dietrich Meyer (später Schmiede am Triften) stammt von dort. Mein Vater Hinrich Meyer sollte die Wümmediele angeblich mal erben. Ich weiß allerdings nicht warum es dann anders kam. (Weiß jemand mehr über meine Urgroßeltern?)
Meine Großmutter war eine Tochter aus aus der Zöllnerstube.
Großvater Dietrich Meyer hat Anna-Maria Mindermann geheiratet.
Liebe Frau Wiegenhagen,
da fragen Sie am besten mal Johann Mindermann (04207-1074), der hat mir nämlich mE mal gesagt, dass er mit den Mindermann aus den Zöllnerstuben verwandt sei.
Herr Heidtmann,
vielen Dank für den Hinweis und Tel.-Nr.
Ich bin grade beim googlen auf diese Seite , gestoßen.
Ich bin die Enkelin von dem Lehrer Victor Guth und die Nichte des als trinkfreudig erwähnten Briefträger Hermann G.
Als ich klein war ich oft bei „Oma Grete“ Guth, sie wohnte neben „Kackbarths“
Meine Eltern gehörten zu denen, die bei „Sillingers“ gekegelt haben…
Schöne Grüße aus dem Süden, Uli