Politikfähigkeit

Nach dem Begriff  „Politikverdrossenheit“ (wir berichteten) grassiert in diesen Tagen nun das Wort „Politikfähigkeit“. Die etablierten Parteien werfen besonders den „Linken“ vor, nicht „politikfähig“ zu sein. Wir suchen einmal nach, was darunter zu stehen sei. Wir erhalten eine erste Antwort:

Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte die verweigerte Zustimmung der Linkspartei für Gauck als „nicht nachvollziehbar“. Diese Entscheidung gegen eine „große Mehrheit der Bevölkerung“ könne sie „nicht als Politikfähigkeit verstehen“

Wir fragen einmal anders: Ist „politikfähig“ gleich „anpassungsfähig“? Ist die völlig Wendehalsigkeit und Abkehr von der eigenen Basis möglicherweise das, was als „politikfähig beschrieben wird? Ist die Zustimmung von einstigen Pazifisten zu Kriegen „politikfähig“? Oder die Zustimmung von einstigen Ökos zum Bau von Kohlekraftwerken? Oder ist das das stete Gekungel, der Schacher um Amt, Posten und möglichst direkte Befriedigung der zunehmenden Forderungen der Lobbyisten „politikfähig“? Ist das Nicht-Antworten auf konkrete Fragen von Journalisten „politikfähig“? Oder ist das Aussitzen von drängenden Fragen „politikfähig“? Ist gar ein wenig ethisches Verständnis von Amt und Privatinteressen bis hin zur persönlichen Vorteilsnahme „politikfähig“? Oder ist die Abkehr von Wahlversprechen nach der Wahl Zeichen von großer „Politikfähigkeit“? Oder sind diejenigen Vertreter der Bundesversammlung „politikfähig“, die ihrem eigenem Kandidaten die Stimme in der geheimen Wahl verweigern? Oder ist es eine Zeichen von Politikfähigkeit, wenn ein scheidender Ministerpräsident seines Dienstwagen noch für weitere fünf Jahre auf Staatskosten reklamiert?

Wenn das alles unter vielem Anderem als „politikfähig“ erachtet wird, dann haben zumindest die bisher etablierten Parteien sich in der Tat in dieser Hinsicht als überaus  kongenial erwiesen.

„In der Politik hat man es mit Menschen zu tun. Manche von ihnen sind bedeutend und treffen wichtige Entscheidungen. Einige halten sich für bedeutend, treffen aber gleichwohl wichtige Entscheidungen.“ (Helmut Schmidt)

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