Das schwarze Wort

Manchmal reicht ein Wort, ein Satz oder ein Bild, um einen Menschen ins Glück oder Unglück zu stürzen. „Trigger“-Effekt nennen die Kollegen aus der Psychologie das.

Es gibt eine Vielzahl von positiv bzw. negativ besetzten Worten: „Urlaub“ wirkt anders auf den Menschen als „Krankenhaus“, dito „Steuernachzahlung“ / „Steuererstattung“.

Unter „Trigger“ versteht man in der Verhaltensforschung Sinneseindrücke, die Erinnerungen an frühere, ggf. längst vergessene oder ins Unterbewusstsein verdrängte Erfahrungen wecken. Die Erinnerung erfolgt oft plötzlich und mit großer Wucht. Die seinerzeitige Situation und die damit verbundenen Gefühle werden unmittelbar neu erlebt („Flashback“). Der Betroffene kann in der Gegenwart so reagieren, als würde er sich in der alten, erinnerten Situation befinden.

„Trigger“ können ein Geruch, ein Geräusch, ein bestimmter Ort usw. sein. „Trigger“ können auch im Zusammenhang mit schweren seelischen oder körperlichen Verletzungen (posttraumatische Belastungsstörung) stehen.

Kritisch ist die Situation, wo wir einem anderen Menschen etwas mitteilen – und dieser sofort verstimmt ist, ohne das wir das beabsichtigt haben. Von Hilde Domin stammt das Gedicht über das schwarze Wort:

Unaufhaltsam

Das eigne Wort,
wer holt es zurück,
das lebendige
eben noch ungesprochene
Wort?

Wo das Wort vorbeifliegt
verdorren die Gräser,
werden die Blätter gelb,
fällt Schnee.
Ein Vogel käme dir wieder.
Nicht Dein Wort,
das eben noch ungesagte,
in deinen Mund.
Du schickst andere Worte
hinterdrein,
Worte mit bunten, weichen Federn.
Das Wort ist schneller,
das schwarze Wort.
Es kommt immer an,
es hört nicht auf,
anzukommen.

Besser ein Messer als ein Wort.
Ein Messer kann stumpf sein.
Ein Messer trifft oft
am Herzen vorbei.
Nicht das Wort.

Am Ende ist das Wort,
immer
am Ende
das Wort.

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Eine Antwort zu Das schwarze Wort

  1. Darko sagt:

    lieber Heidtmann,

    das Wort „schwarz“ ist schwierig.

    ich liebe und stimme ihm zu, diesem Gedicht. habe es „live“ gehört aus ihrem Munde, dieses Gedicht – und dennoch – „schwarz“ ist schwierig und – ersetzbar, was hülfe, um Menschen nicht zu verstimmen, ohne dass wir es beabsichtigt hätten…

    „Kritisch ist die Situation, wo wir einem anderen Menschen etwas mitteilen – und dieser sofort verstimmt ist, ohne das wir das beabsichtigt haben. Von Hilde Domin stammt das Gedicht über das „schwarze“ Wort:“

    Vorschlag: „(…) über das eigne Wort:“

    „(…) das Wort ist schneller,
    das eigne/zu schnelle Wort.“

    schade, Hilde, dass du diesem Vorschlag nicht mehr zustimmen kannst.
    rip

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