Die Linke hat am 20. März 2010 den Entwurf für ein Programm der Partei DIE LINKE vorgelegt.
Die Linke will sich nach dem Entwurf offenbar für einen radikalen Systemumbau zu einem demokratischen Sozialismus einsetzen. Dazu gehört eine Verstaatlichung der Banken ebenso wie eine Millionärssteuer und die 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich. Strom-, Telekommunikations- und Schienennetze sollen ebenfalls in öffentliches Eigentum überführt werden oder in staatlicher Hand bleiben.
Die Linke will politische Streiks legalisieren, Volksentscheide auf Bundesebene einführen und Parteispenden von Unternehmen verbieten. Sie setzt sich für ein sofortiges Ende aller Kampfeinsätze der Bundeswehr, für ein Verbot von Rüstungsexporten und für die Auflösung der Nato ein. Die Linke will sich an keiner Regierung auf Bundesebene beteiligen, die Kriege führt und Aufrüstung vorantreibt.
Als kurzfristige Ziele werden das Recht auf gute, existenzsichernde Arbeit, ein demokratisch kontrolliertes Eigentum in der Daseinsvorsorge, eine armutsfeste gesetzliche Rente, eine solidarische Bürgerversicherung, eine gute, gebührenfreie und für alle zugängliche Bildung von der Krippe an sowie ein gerechtes Steuersystem genannt, das Gering- und Mittelverdiener entlastet. Zudem soll die Europäische Union in eine „demokratische, soziale und Friedensunion“ umgewandelt werden.
Betrachtet man diese Forderungen einmal jenseits allen parteipolitischen Kalküls und dem Totschlägerargument der Machbarkeit, dann beschäftigt sich dieser Entwurf mit Themen, die für einen Großteil der Bundesbevölkerung in der Tat „vital“ sind.
Doch in interessierten Kreisen löst nicht nur die Forderung nach Verstaatlichung der Großbanken und anderer für die Infrastruktur wichtiger Betriebe große Widerstände aus, auch die Forderung nach mehr „direkter Demokratie“ dürften den etablierten Parteien ein Dorn im Auge sein. Denn nichts mehr fürchten die Macher der Volksherrschaft mehr, als eben die Einflussnahme oder gar Herrschaft des Volkes. So war das mit der Demokratie nun wieder auch nicht gemeint.
Und flugs erscheint unter dem Titel „Die wunderbare Welt der Linkspartei“ eine missverstehende (ja wäre es nur eine) Glosse in „DIE ZEIT“, in der die Autoren Dausend und Rosenfelder klein Fritzchen erklären, wie mies es BMW gehen würde, wenn DIE LINKE sich mit Programm der kostenlosen Nutzung des Personennahverkehrs durchsetzt! Die Insolvenz drohe!
Doch was ist das für ein Argument? Was spräche denn tatsächlich gegen einen kostenlosen und funktionierenden ÖPVN? Einzig doch „die freie Fahrt für freie Bürger“. Unternehmen sind Organismen. Ändern sich die Umgebungsbedingungen, müssen sie sich anpassen, wollen sie ihre Art erhalten. Welchen Innovationsschub würde der kostenlose ÖPVN auslösen? Gewiss einen größeren, als derzeit bei großvolumigen Offroadern kleine 17 PS starke Elektromotoren zu ergänzen, die bei der Beschleunigung helfen, in unter 5 Sekunden auf 100 km/h zu gelangen.
Und wie lange und für was alles soll denn das Argument (deutsche) „Arbeitsplätze“ noch herhalten? Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, ist eine opportune Denkhaltung inzwischen in die Republik, wenn nicht gar global eingezogen. Nicht die Richtigkeit eines Gedankens oder einer Forderung wird mehr bestritten, sondern die Relevanz angesichts mangelnder oder nur schwieriger Machbarkeit abgestritten. Meist fängt die Argumentation der lasziven Geister dabei mit einem „Ja, aber …“ an. Ein solches Argument verfing bereits in Kindertagen bei meinen Eltern nicht: „Ja, aber der Uwe darf auch …“
Auch die Unsitte von jedem Kritiker sofort die Lösung des soeben Kritisierten zu verlangen muss ebenfalls aufhören. Denn ich kann sehr wohl in eine Oper gehen und sie miserabel finden, ohne je selber eine komponieren zu können.
Dass der Staat selten auch gleichzeitig ein guter Unternehmer ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Dass jedoch an den Eckpfeilern der Daseinsvorsorge (Strom, Wasser, Gas, ÖPNV usw.) private Unternehmen den Bürger seit Jahrzehnten (Stichwort „Privatisierung“) kartellartig und nahezu sittenwidrig das Geld aus der Tasche ziehen, kann auch nicht im Sinn der Gemeinschaft sein.
Ebenso wenig halten es manche für tolerierbar, dass Sparkassen und Banken ihr eigentliches Betätigungsfeld der Geldversorgung verlassen haben, um mittels „Investmentbanking“ die zunehmenden Begehrlichkeiten ihrer Aktionäre zu befriedigen und in Falle des Versagens, die Kosten dem Staat aufzubürden.
Doch so heiß, wie die Suppe aufgetischt wird, wird sie selten gegessen. Der noch amtierende Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sagt «Dieser Entwurf ist verbesserungsfähig. Er wird auch verbessert werden». In der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung prophezeite er: «Am Ende wird das Programm ein anderes sein.»
Am Ende stünde dann vermutlich einmal mehr ein Kompromissprogramm, in dem sich niemand wiedererkennt und eine Partei, die, ist sie erst einmal in der politischen Verantwortung, von ihren einstigen Forderungen nichts mehr wissen (siehe „Godesberger Programm der SPD“, das „Ahlener Programm der CDU“ – in denen beide Volksparteien den „Demokratischen Sozialismus“ vorsahen – oder die inzwischen inhaltliche Verkommenheit der „Grünen“).
Und dass der sich stets aufs Neue inszenierende Oskar Lafontaine ebenso für diesen Programmentwurf verantwortlich erklärt, wie das ehemalige SED-Mitglied Bisky, darf man davon ausgehen, dass die Geschichte schnell über dieses Papier hinweggeht.
Schade, wäre doch die Arbeit an diesen Themen an sich von historischer Bedeutung.