Über die Theorie der teuren Signale – das Handicap-Prinzip

Die Fauna ist voller Merkwürdigkeiten. Fast alle Spezies senden in bestimmten Situationen Signale aus, die uns Menschen zumindest übertrieben, wenn nicht gar lächerlich vorkoimmen.

Wieso schlägt der Pfau so ein riesiges „Rad“, obwohl das Schwanzgefieder ihn am Fliegen hindert und so auch seine Fähigkeit zu rascher Flucht erheblich einschränkt?

Weshalb haben schottische Moorschneehühner so rote Wülste über den Augen?

Weshalb macht die Gazelle, wenn sie einen Beutegreifer in ihrer Nähe entdeckt hat, statt zu fliehen, oft mehrfach mit allen vier Beinen zugleich Sprünge in die Luft?

Wie können sich solche Merkmale im Laufe der Evolution herausbilden, die vermeintlich gegen den Druck der natürlichen Selektion arbeiten („Handicaps“)?

Das „Handicap-Prinzip“ oder die „Theorie der teuren Signale“ beschreibt den Umstand, dass derjenige, der sich in der Natur ein „Handicap“ (einen Nachteil) leisten kann und dennoch den Wettbewerb mit seinen Artgenossen (und Konkurrenten) erfolgreich übersteht, von seiner Umwelt als besonders lebenstüchtig, potent und insofern (vor allem auch sexuell) attraktiv wahrgenommen wird.

In Ihrem Buch „Signale der Verständigung“ haben die Autoren Amotz und Zahavi bereits im Jahre 1975 die folgende These aufgestellt: Signale sind nur dann glaubwürdig, wenn der Signalgeber ein Handicap in Kauf nimmt. Wenn ein Signal wirksam sein soll, dann muss es zuverlässig sein; und wenn es zuverlässig sein soll, dann muss es „kostspielig“ sein.

Oder anders formuliert: Die Vergeudung von Kraft und Energie kann sinnvoll sein, weil man dadurch schlüssig zeigt, dass man mehr als genug davon besitzt und somit etwas zu vergeuden hat; gerade die Verschwendung macht das Signal glaubwürdig.

So hängt die Größe und die Farbe von roten Wülsten über den Augen von schottischen Moorschneehühnern mit dem Testosteronspiegel zusammen. Testosteron wirkt immunsuppressiv, d.h. Individuuen mit einem hohen Testosteronspiegel sind anfälliger für Infektionen und Parasiten. Daher ist die Größe der Wülste ein „honest signal“, welches besagt: „Ich kann viel Testosteron in meinem Körper haben und bin (trotz der Belastung für mein Immunsystem) dennoch körperlich so fit, dass ich wunderbar mit den ganzen Parasiten zurecht komme“. Für die Moorschneehennen ist es nun eine fruchtbare Strategie, die Männchen zu wählen, die auf diese Weise reliabel ihren guten Gesundheitszustand dokumentieren.

Die Gazelle signalisiert ihrem Feind zum einen, dass sie ihn gesehen hat und indem sie ihre Zeit mit Luftsprüngen „vergeudet“, statt Reißaus zu nehmen, versichert sie ihm zum anderen, dass sie in der Lage ist, ihm zu entkommen.

Männliche afrikanische Löwen, entwickeln eine eindrucksvolle dunkle Mähne. Sie ist der visuelle Ausdruck eines hohen Testosteron-Spiegels und guter Ernährung, sie bedeutet auch, dass der Löwe es sich leisten kann, sich in der sengenden Sonne der afrikanischen Savanne einem deutlich erhöhten Hitzestress auszusetzen.

Vergleichbares gilt für die oft übertrieben groß erscheinenden Geweihe und Gehörne vieler Tierarten. Auch das Brunftgeschrei der Hirsche, das auffällige Gefieder einiger Fasane, die Gesänge und langen Balzflüge der Lerchen, das „Tanzen“ der Birkhühner, das stundenlange Singen von Grillen und die Leuchtsignale der Glühwürmchen sind weitere Beispiele.

Und nun ein paar abschließende Fragen:
a) Weshalb gehen so viele Menschen ins „Fitnessstudios“?
b) Warum fahren besonders ältere Herren gerne Porsche?
c) Weshalb bewegen sich Frauen gerne in gehuntauglichem Schuhwerk?
d) Warum rauchen viele Menschen noch, obwohl sie wissen, dass es ihre Gesundheit gefährdet?

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