Das Gleichnis von den Pharisäern und Zöllnern ist durch Lukas überliefert.
Ein Pharisäer und ein Zöllner gehen in den Tempel zu Jerusalem, um zu beten. Der Pharisäer dankt Gott in seinem Gebet dafür, dass er Pharisäer ist und hebt hervor, dass er sich (in seinen Augen) vorbildlich verhält – und nicht so wie etwa Räuber, Ehebrecher oder eben der Zöllner neben ihm. Er lobt seine Leistungen beim Fasten und beim Geben des Zehnten und sieht keinen Anlass, sich vor dem Höchsten als Sünder zu bekennen. Der Zöllner hingegen schlägt sich gegen seine Brust, wagt dabei nicht aufzusehen und bittet Gott darum ihm, dem Sünder, gnädig zu sein. Im Gegensatz zum Pharisäer ist er sich seiner Sündhaftigkeit bewusst und voller Demut. Das Gleichnis wird abgeschlossen von den Worten Jesu, der erklärt, dass der Zöllner im Gegensatz zum Pharisäer gerechtfertigt nach Hause ginge, denn jeder, der sich selbst erhöhe, werde erniedrigt werden, wer sich aber selbst erniedrige, werde erhöht werden.
Anders die Pharisäer. Sie waren Mitglieder einer frommen Laienbewegung. Ihr Ziel war, die Gebote Gottes auch im Alltag zu erfüllen. Sie waren überzeugt, dass Religion nicht nur etwas für den Feiertag ist, sondern auch im Alltag gelebt werden muss. Deshalb waren sie bereit, auf einiges zu verzichten. Sie gaben konsequent den Zehnten – zehn Prozent von allem, was sie einnahmen. Sie fasteten zweimal die Woche am Montag und Donnerstag so wie Christen und Christinnen am Mittwoch und Freitag fasteten. Sie nahmen es mit ihrem Glauben ernst. Und deshalb galten sie in der Bevölkerung keineswegs als fromme Heuchler, sondern als redliche und aufrichtige Menschen, denen man Achtung entgegenbringen musste. Darum musste Jesu Darstellung des Pharisäers wie eine Karikatur wirken. Er legt ihm Worte in den Mund, die man so kaum erwarten konnte.
Zöllner waren Menschen, die die Abgaben eines Bezirks für die römische Besatzungsmacht eintrieben: Marktzölle, Grenzzölle und verschiedene Arten von Steuern. Sie waren keine Beamten, sondern kleine Unternehmer. Die Zölle wurden an die Meistbietenden verpachtet. Und das führte dann manchmal auch dazu, dass die Zöllner oft wesentlich mehr verlangten, als sie an die Römer abführen mussten. Aber auch wenn man ihnen keinen Wucher vorwerfen konnte, so waren sie doch in jedem Fall Kollaborateure, die mit der verhassten Besatzungsmacht zu-sammenarbeiteten. Wenn ein Zöllner in den Tempel ging, um zu beten, dann war das verdächtig. Ihm war man eher geneigt, Heuchelei zu unterstellen. Denn warum sollte jemand das Gebet im Tempel suchen, der sich in seinem Alltag so wenig um Gottes Gebote scherte und sich ständig durch den Umgang mit den Heiden verunreinigte?
Vermutlich sind wir immer beides: Pharisäer und Zöllner. Mal mehr das Eine, mal mehr das Andere.