Jahresende

Alle Jahre wieder beginnt der Monat Dezember ganz normal – und entpuppt sich zunehmend zum Stressmonat des Jahres überhaupt. Woran liegt das, fragt sich der interessierte Zeitgeist?

Nun, zum einen hat der Monat Dezember zwar 31 Tage, aber überproportional viele Feiertage, nämlich vier (wenn man Heiligabend und Sylvester mal als Feiertag einrechnet, weil die meisten Arbeitnehmer dann bereits Urlaub haben). Ein weiteres Gros der Arbeitnehmer nimmt traditionell zwischen Weihnachten und Neujahr frei – und je nachdem, auf welchen Wochentag die Feirtage fallen, werden auch die Tage vor Weihnachten zu Hause verbracht. Summa summarum bleiben in diesem Jahr von theoretisch 22 Arbeitstagen faktisch 14 über.

Doch in dieser Zeit muss viel geleistet werden. Viele Unternehmen haben ein Geschäftsjahr, das am 31. Dezember endet. Abschlüsse müssen gefahren, Inventuren durchgeführt werden.

Und da Jahresende ist, wird oft das Erreichen eben dieses gefeiert. Jedes Unternehmen, das auf sich hält, führt eine Weihnachtsfeier durch – auch wenn das dieses Jahr nicht für vielfach entfallendes Weihnachtsgeld entschädigt, will darauf doch zumindest darauf kein Chef verzichten.

Sportvereine, Kegelclubs und andere Organisationen kommen zum Festschmaus oder zu einem Umtrunk auf den vielen Weihnachtsmärkten zusammen. Auch privat häufen sich die Einladungen. Die Menschen verhalten sich als ob nicht nur das Jahr, sondern die gesamte Welt sich dem Ende zuneigte: Alles muss noch schnell erledigt werden.

Parallel dazu kommt dann noch der Einkaufsstress bei den Weihnachtsgeschenken, gar nicht zu reden von den überbordenden Einkäufen von Lebensmitteln und Getränken zu den Festtagen.

Darob gerät dann so mancher in Panik oder verzweifelt.

Spätestens am Heiligabend ab 17:00 h wird es dann plötzlich ruhig im Lande. Keine Chance mehr, Christbaumschmuck zu kaufen. Für mindestens 72 Stunden bricht die totale Ruhe herein. Das ist so mancher nicht mehr gewohnt. Keine Post, kein Einkauf, keine eMail. Jeder wird auf sich zurückgeworfen. In einer Zeit von SMS, eMail, facebook, xing, twitter usw. kommt dies einer Kernschmelze gleich. Also bloß nicht allein sein in diesen Tagen. Die Leitungen der Telefonseelesorge „glühen“. Krankenwagen stören die Ruhe und transportieren einsame Alkoholiker ab.

Familien, die sich sonst nur kurz beim Frühstück sehen, hocken nun stundenlang beieinander und wissen nicht, wass sie sich erzählen oder miteinander anfangen sollen. Populationsstress ist programmiert. Da wird ein unterhaltsames Fernsehprogramm überlebenswichtig – die TV-Sender werben bereits jetzt für „das ganz große Kino“.

Und das alles findet bei sehr geringem Tageslichtanteil statt. Der Melatoninspigel ist hoch im Winter, wenn das Tageslicht nur wenige Stunden vorhält. Als Folge davon können Müdigkeit, Schlafstörungen und Winterdepressionen auftreten.

Vielleicht sind viele Menschen in dieser Zeit des Jahres aber nur deshalb so schwermütig, weil das bis zum 21. Dezember abnehmende Tageslicht und das zu Ende gehende Jahr sie an das abnehmende eigene Lebenslicht erinnert?

Viele Zeitgenossen vermeiden all dies – und fahren einfach ganz weit weg. Weihnachten unter Palmen (mit einer Träne in den Augen) oder im Hochgebirge, wo wenigstens der weiße Schnee den Eindruck von Helligkeit etwas vertärkt.

Doch auch für die Daheimgebliebenen ist Trost in Sicht: Am 28. Dezember öffnen alle Geschäfte wieder ihre Pforten. Einmal konsumptiv tief durchschnaufen. Es so richtig krachen lassen an Sylvester! Doch dann ist wieder drei Tage Ruhe verordnet, bevor am 4. Januar 2010 das Leben wieder ganz langsam beginnt. So richtig los geht es doch erst am 11. Januar 2010.

Mancher wird sich dann möglicherweise an den anderen, langsamen Rhythmus gewöhnt haben, so dass er sich nun kaum noch in die schnell anlaufende Turbogesellschaft eingewöhnen kann.

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