Glaubensfreiheit – die Freiheit vom Glauben

Das hat die christliche Kirche, auch wenn sie sich seit über vierhundert Jahren nicht einmal untereinander versteht, geschickt eingefädelt: Wer an den christlichen Gott glauben will, darf nicht wissen wollen!

Gleich im ersten Buch Mose werden Adam und Eva aus dem Paradies (des seligen Unbedarftseins) vertrieben, weil sie einen Apfel vom Baum der Erkenntnis essen – etwas, das Gottvater ihnen strengstens verboten hatte.

Sein Zorn und seine Rache sind groß (welch menschliche Züge), Vergebung, von der in der Bibel später noch oft die Rede sein wird, suchen Adam und Eva vergebens. Zu schwer das Delikt.

Sapere aude (Horaz, später von Kant aufgenommen) – wage es zu wissen – diesen Satz fürchten die Kirchenoberen ähnlich wie in ihrer eigenen Terminologie bzw. Mythologie der Teufel das Weihwasser.

Gewiss, systemimmanent ist die Forderung, nicht wissen zu wollen und stattdessen glauben zu müssen, eine conditio sine qua non. Denn wer wissen will, kann nicht glauben. Und wer glauben will, darf nicht wissen wollen.

Zu kraus und zu unglaubwürdig sind die Legenden und Überlieferungen christlicher Religion. Unhaltbar auch das Neue Testament mit der Geschichte Jesus. Der Widersprüche und Fragen Zahl ist zu groß, allen voran das Theodizee-Problem.

Sigmund Freud sah Religion gar als kollektive Zwangsneurose. Der Katholizismus mache den Menschen infantil und fessele ihn an Illusionen. Sein Kollege Erich Fromm kritisierte die autoritäre Seite der Religion, die Gehorsam, Unterwerfung und Selbstentfremdung mit sich bringe.

Viel Mühe hat die christliche Kirche hernach in Jahrhunderten walten lassen und ist vor keiner noch so großen Gräueltat oder Kulturschande zurückgeschreckt, um ihr Verdikt Wirklichkeit werden zu lassen: Bücher wurden verbrannt, ihre Autoren auf Scheiterhaufen hingerichtet, Aufklärer verfolgt, Widersacher und Ketzer mit dem Kirchbann belegt.

Doch auf Dauer lässt sich die Wahrheit nicht niederlügen. Die Macht zumindest der christlichen Kirche schwindet. Aufklärung und moderne Wissenschaften entziehen ihr die letzten Grundlagen und Gläubigen. Rückzugsscharmützel halten seit Charles Darwin an, können den Niedergang jedoch nicht aufhalten.

Welch Macht hatte einst die katholische Kirche! Welch Einfluss auf die Könige, Kaiser und Staaten! Und noch heute muss der Vatikan nicht nur verbotene Schriften von Ketzern und Aufklärern horten, sondern auch unvergleichbare Schätze, die man seinen Gläubigen abgepresst hat.

Wissen und Wissenschaft verhindern Glauben, denn schon der Volksmund weiß: Glauben heißt nicht wissen. Das mögen die einen bedauern, eine zunehmende Anzahl von Menschen begreift dies jedoch als eine immense Freiheit – auch wenn diese eine hohe ethische Verantwortung jedes Einzelnen erfordert, die nicht länger „an jenes höhere Wesen“ (Böll) zurückdelegiert werden kann.

„Die Wahrheit nämlich ist den Menschen zumutbar.“ (Ingeborg Bachmann)

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