Goethe und Schiller – eine Freundschaft

Rüdiger Safranski ist wahrlich kein Unbekannter in der Literaturszene. Mit seinem Hör-) Buch „Goethe & Schiller – Geschichte einer Freundschaft“ setzt er die Reihe seiner Veröffentlichungen über der Biographien berühmter Philosophen und Schriftsteller fort.

Der Leser bzw. Hörer erfährt, wie es um die Freundschaft von Goethe und Schiller bestellt war. Safranski hat dazu ganz offensichtlich umfangreiche Recherchearbeiten betrieben. Mir ist kein anderes Werk bekannt, das so präzise das gemeinsame Wirken der beiden deutschen Großdichter beschrieben hätte.

Jahrelang gingen Goethe und Schiller einander aus dem Wege, beobachteten einander distanziert und von Weitem. Besonders Goethe ist misstrauisch, betrachtet den „radikalen“ Schiller gar als Konkurrenten und kultivierte seine Vorbehalte. Er sieht in ihm immer noch den Sturm-und-Drang-Dichter – eine Entwicklungsphase, die er für sich längst zu überwunden haben glaubte – und an die er nicht gerne erinnert werden wollte. An Goethe reizt Schiller die unerschütterliche Souveränität, der er sich unterlegen fühlt.

Das Wesentliche dieses Buches ist die detaillierte Beschreibung des Glücks des gemeinsamen Arbeitens, Denkens, Dichtens. Es gibt nicht viele Beispiele in der Zeitgeschichte, wo zwei Menschen auf Basis ihrer gemeinsamen Interessen so intensiv miteinander Zeit verbringen.

Man kann parallel zu Goethe und Schiller auch generell viel über eine bereichernde und sich ergänzende Freundschaft lernen: Weder Goethe noch Schiller wären das, was sie heute in der Nachwelt sind, ohne den jeweils anderen. Richtige Freundschaft ist sehr selten. Goethe und Schiller waren jedenfalls etwa vom Jahre 1794 echte Freunde bis zum Tode im Jahre 1805 des jüngeren Schillers.

Erst Freundschaft ermöglicht es, ein Individuum zu werden oder wie Martin Buber schrieb „Der Mensch wird am Du zum Ich.“ Freundschaft ist die kleinste Zelle der Gesellschaft.

Dass sie bei Weitem nicht immer einer Meinung waren, hat diese Freundschaft nie tangieren können. Sie ergänzen einander, jeder bringt mit, was dem anderen fehlt. Vieles haben Goethe und Schiller gemeinsam geschaffen. Goethe trat Schiller den Tell-Stoff ab, Schiller drängte Goethe immer wieder zum Faust. Es war eine Kooperation zur gemeinsames Selbststeigerung. So schrieb Goethe an Schiller: „Fahren Sie fort, mich mit meinem Werk bekannt zu machen!“

Safranski schafft in seinem Buch auch ein Gleichgewicht zwischen dem privaten Miteinander und der gemeinsamen Arbeit. Am anschaulichsten wird das gemeinsame Arbeiten in dem Zeitabschnitt, als Schiller und Goethe die „Horen“ und später die „Xenien“ herausgeben, bzw. in diesen veröffentlichen. Wie Jahre später Marx und Engels als Wirtschaftswissenschaftler feixen die beiden und beschimpfen ihre Schriftstellerkollegen auf das Übelste. Die Damen neiden den beiden die viele Zeit, die sie miteinander verbringen.

Als Schiller stirbt, vergräbt sich Goethe in seiner Wohnung, will mit niemandem sprechen. Drei Wochen später schreibt er: „Ich verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseins.“

Zur Beerdigung ging Goethe nicht. Er ging nie zu Beerdigungen.

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