Was ist die Wahrheit? Was wahr ist oder nicht wahr ist, darüber entscheidet manchmal die Zeit – in der neue Erkenntnisse zu neuen Bewertungen alter Sachverhalte zur Verfügung stehen. So wissen wir zum Beispiel heute, dass Deutschland im Jahre 1939 nicht von Polen angegriffen wurde (hier betreten wir das weite Feld der Lüge) und dass die Erde keine Scheibe ist (hier befinden wir uns im Reich des Irrtums).
Was wahr ist oder nicht wahr ist bzw. was andere für wahr oder nicht wahr halten, darüber entscheiden auch die Glaubwürdigkeit und die Rhetorik des Sprechers.
Manche Menschen – insbesondere jene, die politisch bzw. demagogisch unterwegs sind – verbiegen die Wahrheit gerne, mit dem Ziel, eigenen Interessen durchzusetzen. Das gilt auch für vollmundige Werbeaussagen und Verkaufsargumente.
Andere Menschen wiederum halten für wahr, was der jeweils Ranghöhere sagt. Er muss es ja wissen.
Argwohn ist geboten bei jenen Menschen, die eine zuvor geäußerte Meinung revidieren. Das an sich ist nicht schlimm, denn wir können ja dazulernen. Doch wenn dies aus purem Opportunismus geschieht, ist das peinlich. Wie ein Fähnchen im Wind sagen jene Zeitgenossen gerade das, von dem sie meinen, dass es die anderen hören wollen. Sie haben keine eigene Meinung, sie pflegen eine Meinung – von der sie meinen, dass sie gut ankommt.
Es macht also einen Unterschied, was wahr ist und was wir für wahr halten.
Dabei ist die Umwelt, so wie wir sie wahrnehmen, unsere Erfindung. Draußen im All gibt es weder Farbe noch Licht, sondern nur elektromagnetische Wellen. Es gibt weder Schall noch Musik, sondern lediglich periodische Schwankungen des Luftdrucks. Es gibt weder Kälte noch Wärme, sondern lediglich Moleküle, die sich mit mehr oder minder großer kinetischer Energie bewegen.
Die Entdeckung, dass wir unsere Wahrheit selbst erschaffen, kommt einer Vertreibung aus dem Paradies gleich.