Gemeinschaft

Das war ein ganz intensives Gefühl neulich im Speiseraum des „Kneipp-Kurhotels in Zirndorf“.

In dem schon etwas in die Jahre gekommenen aber sauberen Gastraum sitzen drei Paare und ein Alleinreisender wie ich.

Abgesehen von Blickkontakten und einem Abschiedsgruß kommen wir diesen Abend nicht miteinander ins Gespräch, wohl aber in Kontakt.

Denn da ist etwas, was uns zu verbinden scheint: Wir sind eine Gemeinschaft auf Zeit, wenn auch nur für wenige Minuten oder Stunden.

Zum Ehepaar am Tisch gegenüber an der Wand setzt sich später die Hotelinhaberin. Man kennt sich. Zu weit weg, um das Gespräch mitzuhören. Ich glaube, es geht um Gesundheit.

Zum Ehepaar rechts von mir gesellt sich hernach der Koch, vermutlich der Ehemann der Chefin. Man kennt sich also. Der etwa 50-jährige Küchenchef hat eine Gesichtshauterkran­kung: Sehr viele rote Pusteln. Ist es Neurodermitis, Psyoriasis oder gar Schlimmeres? Ich bedauere diesen Mann mit einem so sichtbar entstellten Gesicht, der selber aber recht fröhlich wirkt. Sein männlicher Gast schaut öfters zu mir herüber, versucht vermutlich zu erforschen, wer ich bin, der da so schlaff in der Ecke sitzt, schweigsam sein Essen zu sich nimmt und dabei Bier trinkt, sonst aber nichts tut – kein Gefummel an einem Mobiltelefon, keine Lektüre, nichts.

Links von mir eine junge Frau mit einem etwas älteren Mann, Freund oder Partner. Sie wird übrigens nachher zahlen. Vermutlich sind die beiden verliebt. Sie ist deutlich engagierter in dieser Angelegenheit als er.

Ganz links in der Ecke der Hotelgast am Einzeltisch mit Bildzeitung. Sein Schnarchen werde ich die Nacht durch alle Mauern hören. Es wird mich aber nicht stören.

Es gibt sie, diese kurze Momente des Gefühls der Zusammengehörigkeit. Im Zusammenhang „Aufstellungen“ nach Bert Hellinger habe ich sie oft gespürt – aber auch in (Arbeits-) Situationen mit anderen Menschen.

Der Mensch ist nur in der Gemeinschaft in der Lage zu überleben – auch wenn die gegenwärtigen gesellschaftlichen Tendenzen zur Individualisierung etwas anderes zu lehren scheinen.

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