Er ist Ende der 60er Jahre mit mir zur Schule gegangen, war ein Jahr älter. Wir trafen uns in der neunten Klasse wieder, als er eine Ehrenrunde drehen musste. Wir haben dann zusammen die Mittlere Reife gemacht, ich bin zum Gymnasium, er hat wohl eine kaufmännische Lehre begonnen.
Später ist er dann Berufssoldat bei der Bundeswehr geworden. Dominant und großsprecherisch war er schon in der Schule. Gute Voraussetzungen beim Bund. Hat dann erstaunlich schnell Karriere gemacht. Muss ein ziemlicher Schleifer bei den Panzergrenadieren gewesen sein. Unteroffizier, dann Offizierslaufbahn.
Als er Leutnant (Besoldungsgruppe 9) war, traf ich, langhaariger Pädagogikstudent der Uni Bremen, ihn Ende der 70er Jahre einmal vor der Sparkasse. Was ich denn so mache? Als ich das damalige Ziel „Studienrat“ (Besoldungsgruppe A 13) nannte, bekam er wieder seine typischen Sehschlitze und presste heraus: „Dann bin ich schon weiter als Du!“
Das hat er dann tatsächlich in mehrererlei Hinsicht geschafft:
Erstens habe ich nach meinem Studium auf eine Beamtenlaufbahn in der Staatsschule verzichtet. Zweitens hat er es auch ohne Abitur über das Ende der normalen Karriereleiter für ihn (Hauptmann) zum Oberstleutnant (Besoldungsgruppe A 15) gebracht – sogar mit dem Zusatzattribut „i.G.“ (im Generalsstab). Das ist eine erstaunliche Karriere. Das hat ihn ganz sicher viel (Lebens-) Kraft und Zeit gekostet.
Drittens ist er nach langer Krankheit viel zu jung gestorben, hat Frau und zwei Kinder hinterlassen. Auf dem Totenbett soll er gesagt haben, dass er alles erreicht habe, was er habe erreichen können. Typisch. Bei guter Gesundheit hätte er es möglicherweise noch zum Brigadegeneral gebracht.
Möge er in Frieden von dieser Welt geschieden sein, auf der er – vermeintlich – doch so vieles erreicht hat. Denn wir alle tragen für alles, was wir tun, die „Opportunitätskosten“.
Ich vermute du hast über Alfred S. gesprochen.
Alles hat seinen Preis im Leben. Ehrgeiz kann einen Menschen verzehren.