Vorgestern Nacht ist sie gestorben, mit 87 Jahren, fast blind und kaum noch mobil. Abends ins Bett gegangen, morgens nicht mehr aufgewacht. Bis kurz vor Erreichen ihres 80. Geburtstag hatte sie noch ihren „Tante-Emma-Laden“ alleine geführt. Vermutlich hatte sie als Selbständige nicht genug „geklebt“ und konnte nicht auf eine gute Rente hoffen – vielleicht war es auch nur ihre Lebensaufgabe.
Als ich Kind war, stand da noch „Kolonialwarenladen“ an der Fassade. Und den Wandel von Tante Emma zur Selbstbedienung habe ich als junger Erwachsener noch am Rande erlebt, obwohl der zur Verfügung stehende Raum keiner Kalkulation eines Lebensmittelgeschäfts standhalten gehalten hätte – von wegen Umsatz pro Quadratmeter usw.
In meiner Volksschulzeit hatte sie durch die gegenüber liegende Schule mit acht bzw. später neun Klassen rege Kundschaft. Dauerlutscher, Salmis, Wundertüten usw. Natürlich gab es da noch Sauerkraut und Gurken aus dem Fass. Ich erinnere mich auch noch, als es Ende der 50er Jahre plötzlich für nur 10 Pfennig ein Vanilleeis am Stil bei ihr gab, von „Sanobub“, oberlecker, nie wieder habe ich danach so ein gutes Eis gegessen! Und die Weihnachtsgeschenke für meine Eltern und Großeltern habe ich als Kind natürlich bei ihr gekauft. Veilchenparfüm für meine Mutter, Eckstein für meinen Vater, eine Zigarre für Opa.
Später, als aus der Schule ein Kindergarten und eine Seniorenbegegnungsstätte geworden waren, und die Menschen dieses Ortes schon längst zu den großen Discountern zum Einkaufen fuhren, hatte sie ihr Auskommen mit den Einwohnern der vielen Altenheime, die es in meinem Heimatort gibt. Die Herrschaften hatten wohl vielfach den Drang zu einem kleinen Flachmann, um durch den Tag zu kommen.
Irgendwann ging es dann aber doch nicht mehr und nun ist in dem Laden ein moderner Friseursalon eingezogen.
Ich erinnere mich an eine lebenslustige, mutige Frau, die so gar nicht auf den Mund gefallen war und die im Leben immer „ihren Mann gestanden hat“, denn verheiratet war sie nie.
Ich gedenke und verabschiede mich in Respekt von Frau Erna Schwarmann aus Sagehorn, einer „Heldin meiner Kindheit“ – von der die große Weltgeschichte wohl keine Notiz genommen hat.
Moin Karl Heinz
Da hast Du mir ganz aus dem Herzen gesprochen – ich hab sogar nen plattdeutschen Trauertext in Form einer Ehrenurkunde für Ernas Bruder geschrieben, weil mir ihre Stimme noch so im Ohr war, dass mir das ein Bedürfnis war… – obwohl ich eigentlich gar nicht Plattdeutsch schnacken kann 😉
Und was ich ganz traurig fand: Dass zu ihrer Beerdigung nur wenige Menschen gekommen sind, obwohl sie genau so ein kauziges Original war wie unser lieber Heini Schwenker, bei dessen Beerdigung die Kirche rappelvoll war und viele Rotz und Wasser geheult haben „angesichts“ seines tragischen Ablebens…
LG sendet Roswitha Osmers (geb. Kubesch)
(das ist ja kurios: Ich hab eben einen Sagehorner Liedertext gesucht und finde eine ehrende Gedenkschrift für Erna Schwarmann von Dir…)